Category: Jüdisches (Page 2 of 13)

Etwa hier auf dem Klo? Eine Shavuot Erzählung

Ich möchte Euch eine Geschichte erzählen:

Einst gab es einen Rabbiner, der war sehr reich und sehr gelehrt. Man sagt, er kannte den ganzen Talmud auswendig. Jeden Tag kamen zu ihm Menschen von Nah und Fern und sie baten ihn um Ratschlag für allerlei Probleme. Seine Antworten waren stets sehr klug und sein Ruf wuchs von Tag zu Tag mehr. Ja, er war der bedeutendste Rabbiner seiner Generation.

Euch ist sicher bekannt, dass es üblich ist, bevor der heilige Jom Kippur Tag anbricht, man sich, z.B. in der Familie, zusammenfindet und gemeinsam noch einmal etwas isst, sodass man die 25 Fastenstunden gut durchhalten kann. In vielen Familien ist es ein festliches Essen, zu dem alle Familienmitglieder und häufig auch Freunde eingeladen sind. Continue reading

Yummy

Über Juval habe ich schon mal in meinem Blog berichtet. Er ist Kantor einer kleinen, lieben Gemeinde in Los Angeles. Er war Student am Abraham Geiger Kolleg und hatte dort die Funktion eines Pionieres inne, schließlich war er der erste Kantorenstudent des Kollegs. Im Rahmen meiner Teilnahme an der World Union for progressiv Judaism – Konferenz in San Francisco habe ich auch einen Abstecher nach L.A. machen können und Juval besucht.

Die Gemeinde die er betreut ist eine der LGBT-Gemeinden in den USA. BCC [Beth Chayim Chadashim] wurde 1972 gegründet und war damit die erste jüdische Gemeinde, die sich offen und programmatisch an Lesben und Schwule richtete. Heute ist sie, wie alle anderen LGBT Gemeinden auch, eine Gemeinde die ihre Türen für jeden offen hält. Gleichgeschlechtliche wie heterosexuelle Familien gehören ebenso zum Gemeindebild, wie die heterosexuelle Singlefrau oder der schwule mid-60er.

Ob eine LGBT Gemeinde heute noch notwenig ist, bzw. für Deutschland notwenig wäre, weiss ich nicht. Es gibt gute Gründe, wenn wir davon sprechen, dass noch längst nicht alle Gemeinden bereit sind, Lesben, Schwule und Tranzsexuelle zu integrieren. Gerade die letztere Gruppe ist mehr oder weniger unsichtbar in unseren Gemeinden. Auch wenn viele liberale Gemeinden “Gay-Friendly” sind, gibt es bisher – nach meinem Wissen – keine Gemeinde, die eine Zeremonie für Lebenspartnerschaften anbietet. D.h. bei einem wichtigen Lebensabschnitt sind unsere Gemeinden noch nicht in der Lage, einen Teil der Mitglieder aktiv zu begleiten. Ob das reicht, eigene Gemeinden für Lesben und Schwule zu gründen, weiss ich nicht. Wahrscheinlich nicht. Aber wie damals die Gemeinden in den USA der Türöffner zu einem jüdisch-religiösen Leben für Lesben und Schwule wurde, so könnte auch in Deutschland eine vergleichbare Initiative Menschen integrieren, die keine Heimat in den bestehenden Gemeinden gefunden haben. Wie gesagt, ich weiss es nicht.(Eure Meinung würde mich interessieren).

Aber eigentlich wollte ich in diesem Post das neue Video von Juval vorstellen und sage daher: Vorhang auf!

Purim in Jerusalem

Es war das zweite Mal, dass ich Purim in Jerusalem verbracht habe. Vor 4 Jahren war es gleichzeitig mit meinem Geburtstag und somit gab es einen doppelten Grund zu feiern. Damals war ich kurz in einer Synagoge und bin dann mit Freunden in eine Bar gegangen. Dieses Mal war ich am Abend mit Danny (einem Studenten aus meiner Yeshiva) in einer kleinen Synagoge in der Nähe des Kikar Zion, d.h. in der Jerusalemer Innenstadt. Da es eine von Chabad betriebene Synagoge ist, erlebte ich eine Megilla-Lesung in aschkenasischer Aussprache. Premiere für mich. Der Vorleser hat aber so deutlich und langsam gelesen, dass ich gut folgen konnte.

Im Wohnzimmer des Rabbiners

Im Wohnzimmer des Rabbiners

Im Wohnzimmer des Rabbiners

Der Rabbiner dort hat uns anschließend zu sich eingeladen. Es war schon ein wenig komisch, mit lauter Chabadniks im Wohnzimmer des Rabbiners zu sitzen. Wie immer wenn Chabad irgendwo feiert gab es Livemusik. Zwei Musiker saßen in einer Ecke. Nach ein paar Verzögerungen (viele der erwarteten Gäste kamen fast eine Stunde später) kam dann eine nette Stimmung auf. Auf dem Rückweg bin ich noch ein wenig durch die Innenstadt gelaufen (leider habe ich hiervon keine Bilder). Es war richtig was los.

Heute morgen war dann Purim in der Yeshiva angesagt. Nachfolgend eine Bilderauswahl:

Damit ist einer meiner Lieblingsfeiertage vorbei. Jetzt geht es in die Vorbereitung zu Pessach. Auch nicht schlecht 🙂

Ein Rabbiner und ein katholischer Priester …

Hat ein Rabbiner im Judentum eine vergleichbare Stellung wie etwa ein Priester in der katholischen Kirche – kann er also beispielsweise die Beichte abnehmen und die Sakramente erteilen?

Rabbiner Tom Kucera bei seiner Ordination

Rabbiner Tom Kucera bei seiner Ordination

Für die Frage möchte ich mir zu Erst einmal bei den Schülern einer Schule in Hamburg bedanken. Es freut mich, dass Ihr die Website von HaOlam für Euren Unterricht verwendet und über die Texte diskutiert.

Eure Frage ist interessant und ich bin mir sicher, dass viele andere Menschen sich die Frage auch schon gestellt haben.

Der Beruf von einem Rabbiner und einem katholischen Priester sind in manchen Bereichen vergleichbar und in anderen absolut unterschiedlich. Vergleichbar ist, dass beide sich um Menschen kümmern. Wenn ein Rabbiner oder ein Priester eine Gemeinde betreut, dann sprechen sie viel mit Menschen, besuchen kranke Menschen, reden mit Menschen, die vielleicht demnächst heiraten wollen, oder die vielleicht in Kürze ein Kind bekommen werden. Sie sprechen mit Männern und Frauen, denen es vielleicht nicht so gut geht, oder sie unterrichten Kinder, in der Synagoge, oder in einer Schule.

Rabbiner gibt es seit mehr als 2.500 Jahren. Der Name leitet sich vom hebräischen Wort „Rav“ ab, was „viel“ bedeutet. Ein Rabbiner weiß viel, es ist jemand, der viel gelernt hat und daher andere Menschen unterrichten kann. Rabbiner kennen sich auch im jüdischen Recht, der Halacha, aus und können anderen dabei helfen, eine Entscheidung zu treffen, wenn sie mal nicht weiter wissen, oder sich uneinig sind. Dazu studiert ein Rabbiner ca. 5 Jahre an einer Universität und/oder an einer Yeshiva. Die Yeshiva ist eine Art Schule, in der man die jüdischen Quellen, z.B. den Talmud, studiert.

Ein Rabbiner, oder eine Rabbinerin – es gibt auch Frauen, die diesen Beruf ausüben – sind also in erster Linie Männer und Frauen, die viel studiert haben. Ich denke, dass dies auch auf katholische Priester zutrifft. Der große Unterschied ist aber, dass Rabbiner keine „Weihe“ erhalten. Sie sind keine Mittler zwischen Menschen und G’tt und können auch keine Sakramente spenden. (Sakramente gibt es im Judentum nicht.) Es braucht auch keinen Rabbiner um einen G’ttesdienst zu leiten. Im Judentum kann jeder Mann (und im liberalen und konservativen Judentum auch jede Frau) im G’ttesdienst vorbeten, wenn er oder sie alt genug ist und gelernt hat, wie es geht (d.h. die Texte lesen kann und weiß, wann was gesagt werden muss). Viele Gemeinden haben daher keinen Rabbiner, der ständig da ist, sondern ab und zu kommt ein Rabbiner um Fragen zu beantworten oder zu unterrichten.

Da Rabbiner sich lange mit dem jüdischen Recht beschäftigt haben, sind sie auch eine Art Richter, d.h. wenn es Fragen gibt, die mit dem jüdischen Alltagsleben oder Gemeindeleben zusammenhängen, helfen sie eine Lösung zu finden, oder treffen eine Entscheidung. Viele Fragen entscheiden Rabbiner alleine, aber ab und an kommen auch mehrere (mind. drei) Rabbiner zu einem Beit Din (Gericht) zusammen. Solch ein Rabbinergericht entscheidet z.B. ob jemand neu ins Judentum aufgenommen wird.

Rabbiner und Rabbinerinnen können heiraten und Kinder haben, es gibt Rabbiner, die eine oder mehrere Gemeinden betreuen und andere, die weiterstudieren und unterrichten und den ganzen Tag nur hinter großen Bücherstapeln zu finden sind. Es gibt Rabbiner, die sich politisch engagieren, oder in Afrika helfen, eine Schule zu bauen. Und es gibt Rabbiner, die den Beruf erlernt haben und dann etwas ganz anderes arbeiten…

Priester gab es im Judentum auch. Bis zur Zerstörung des Tempels in Jerusalem im Jahre 70 d.Z. haben sie den G’ttesdienst im Tempel abgehalten. Damals gab es noch Tieropfer, die nur von den besonders ausgebildeten Priestern dargebracht werden durften. Man musste zwar genau lernen, wie man als Priester die G’ttesdienste abhielt, aber nicht jeder konnte diesen Beruf erlernen. Nur wessen Vater ein Priester war, der war ebenfalls Priester. Und dessen Vater musste Priester gewesen sein und so weiter, theoretisch kann man die Linie bis auf Aaron, den Bruder von Moses zurückverfolgen. Ein bisschen vergleichbar mit Adligen hier in Europa, die auch eine lange Familientradition haben.

Heute gibt es noch Familien, die sich auf diese Linie beziehen, also auch 2.000 Jahre nach dem Ende der alten G’ttesdienste. In traditionelleren Gemeinden bekommen diese Menschen noch besondere Ehren im G’ttesdienst, z.B. den ersten Aufruf zur Torahlesung. Und sie spenden den Priestersegen („Der Ewige segne Dich und behüte Dich“ – Bemidbar 6.22f). Aber wie bei einem Rabbiner auch, kann ein G’ttesdienst heute, ganz ohne sie stattfinden. Die erste Aliah (Aufruf zur Torahlesung) erhält ein anderes Gemeindemitglied und den Segen spricht der Vorbeter.

Dass ein Priester in der katholischen Kirche heute die Beichte von Gemeindemitgliedern abnimmt und die Sünden vergibt, hat sicherlich auch einen historischen Bezug zu den Aufgaben der jüdischen Priester, wie sie in der Bibel beschrieben werden. Dort ist beschrieben, dass jemand, der eine Sünde begangen hat, d.h. ein Gebot aus der Torah übertreten hat, ein Tier für ein Opfer an G‘tt den Priestern bringen musste und diese haben es dann für ihn dargebracht. Sie haben zwischen den Menschen und G’tt vermittelt und so Sühne erwirkt. Da heute das Gebet die Opfer von damals ersetzt hat und jeder Mensch selbst für sich zu G’tt beten kann und muss, braucht es den Priester nicht mehr als Vermittler im Judentum. Deswegen gibt es auch keine Beichte im Judentum. Mehr zur Beichte findet man in Wikipedia: W

Ich hoffe, ich konnte Eure Frage ein bisschen beantworten. Wenn Ihr weitere Fragen habt, könnt Ihr mir gerne wieder eine Email schreiben. Selbstverständlich auch alle anderen Schülerinnen und Schüler.

Diese Woche …

… hat die Winterpause bereits ein wenig begonnen, welche ich in den vergangenen Wochen mir doch schon ein wenig herbei gewünscht habe. Auch wenn ich kein Fan von der kalten Jahrszeit in Berlin bin, fehlt mir Berlin jetzt doch. Die Stimmung, die im Dezember über der Stadt hängt, das schlendern durch die Einkaufsstraßen und natürlich auch die Vorfreude auf die Winterpause, die 14 Tage, in denen man endlich mal Dinge machen kann, die sonst immer liegen bleiben.

Meine Chanukkia

Meine Chanukkia

Diese Woche ist nun wie gesagt der kleine Vorgeschmack. Ich habe schon keinen Unterricht mehr in der Yeshiva und am HUC. Wichtigster Grund ist, ich kann mir endlich die Zeit nehmen, Dalya bei der Fertigstellung der neuen arzenu Website zu helfen. Content aufbereiten heisst das in Neudeutsch. Zudem liegen einige Dinge hier seid Wochen rum, die einer dringenden Behandlung bedürfen (Papiere abhefen, Artikel aus Büchern kopieren und die Neugestaltung meiner eigenen Website). Letztendlich möchte ist da noch die Vorbereitung des nächsten Jahresprogrammes von arzenu in Deutschland. Ich sagte ja, die Winterpause ist perfekt, um Ordnung zu schaffen.

Daneben ist natürlich noch dieses kleine Fest erwähnenswert, dass gerade im Kalnder steht und Ursache für meine Pause ist: Chanukkah. Neu für mich ist, dass jeden Abend eine kleine Feier ist, zu der ich eingeladen bin. Keine großen, organisierten Events, sondern fröhliche Familienfeiern, mit singen, essen, lachen, essen, Geschichten erzählen und essen und essen.

Am Dienstag werde ich Zeit haben, Abends einen Spaziergang zu unternehmen. Ich werde für Euch versuchen meine Eindrücke von den vielen Chanukkiot in den Eingangstüren auf Bildern festzuhalten. Bis dahin: Chag Orim Samaeach.

Eine Identitätsfrage: Wer ist Jude?

Viele Fragen, die mich erreichen, drehen sich immer wieder um einen Themenkomplex. Um die jüdische Identität. Was bestimmt die jüdische Identität, was macht uns jüdisch? Wie sieht ein jüdisches Leben aus? Rituale sind ein wichtiger Teil der Identitätsbildung. Die Mesusah an der Tür kennzeichnet ein jüdisches Haus, die Bewohner sind also aller Wahrscheinlichkeit nach Juden. Sich bewusst gegen Tattoos zu entscheiden, kann auf einer jüdischen Identität basieren, und natürlich die Brit Mila, die Beschneidung ist ein signifikantes Zeichen jüdischer Identität, um nur drei der Themen aufzuzählen, die ich in der letzten Zeit hier angesprochen habe.
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Pluralismus unter Bedrängnis

in den letzten wochen kommt es hier in israel vermehrt zu aktionen einiger haredi-gemeinden gegen den erreichten status quo in sachen friedlichen nebeneinander lebens und religionsfreiheit in jerusalem. fast jeder shabbat endet inzwischen mit größeren oder kleineren demostrationen. angriffspunkte: vom parkplatz, der an shabbatgeschlossen werden soll, bis zur demo gegen intel, die ihre produktion an shabbat beenden sollen. einen negativen höhepunkt erlebte die jüdische welt vor knapp drei wochen in der verhaftung einer jungen frau, die zu rosch chodesch kislev in einem tallit an der kotel (klagemauer) beten wollte.

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