eigentlich bin ich ja nicht der größte fan von berlin, aber das letzte wochenende hat dazu beigetragen, dass ich doch noch einer werden könnte. natürlich nur in bezug auf das jüdische leben, was sich über die letzten tage hin als außerordentlich vielseitig gezeigt hatte, über den rest der stadt und meiner dazugehörigen eindrücke lege ich mal lieber den mantel des schweigens.

nun gut. fangen wir damit an, dass ein besuch aus israel sich für freitag ankündigte und ich ihm anbot, dass er mich zum G’ttesdienst begleiten könne. besuch aus israel heisst in der regel entweder religiös und orthodox, oder nicht-obeservant und orthodox, libral ist die große ausnahme. ich bot ihm daher vorausschauend an, in einen der tradtitionellen, ortodoxeren synagogen den G’ttesdiesnt zu feiern oder, kontrast muss ja sein, classical reform in der pestalozzi-strassse, also mit orgel, chor und museumscharakter.

nadav entschied sich für classical reform, sowas kannte er nicht und er war neugierig. nach einem freundlichen sicherheitscheck kam mein besucher nicht aus dem staunen heraus. ich weiss nicht, wer von euch die synagoge von innen kennt, aber sie hat eben keine bimah in der mitte und die bestuhlung hat schon eher was von weniger bequemen alten bahnhofbänken, aber auf der anderen seite ist sie eine schöne, helle und beeindruckende synagoge – etwas überheizt.

es war durchaus eine ordentliche anzahl beter da und mit dem ersten orgelton war meinem besucher klar, dass er sich auf etwas gaaaanz neues einzustellen hatte: kantor mit mikrophon, das seine stimme bis zur unkenntlichkeit verzerrt, chor mit frauenstimmen, eigenwillige anordnung der gebete und wenig aktive menschen. im wesentlichen wurde geschwätzt und dem schauspiel im vorderen teil der synagoge keine aufmerksamkeit geschenkt – achtung, gilt nicht für alle teilnehmer des G’ttesdienstes, aber war zumindest so ansteckend, dass ich keine hemmungen hatte, Nadav zu erklären, was genau passiert und wie dieser ritus innerhlab der jüdischen welt einzuordnen ist. bis auf einige, wenige einschübe hatte ich eher nicht den eindruck, dass wir am vorabend zu schemini azeret stehen, es kann aber auch sein, dass meine aufmerksam eher beim gespräch mit meinem nachbarn lag.

mit einem kurzen und schönen kiddusch in der sukka klang der abend in der pestalozzi straße aus. an dem gemeinsamen singen müssen wir alle noch üben, aber das ist ja in der dortigen synagoge auch eher nicht notwendig.

für mitsinger ist in berlin eh am besten die oranienburger synagoge geeignet. mitmachen ist absolut erwünscht und macht zudem auch noch spass. da die dortige gemeinde den jüdischen kalender gemäß der israelischen tradition beachtet, wurde nicht nur schemini azeret begangen, sondern auch simchat torah. ein langer G’ttesdienst, mit hallel, hakafot, Torah-lesung und viel singen.

ein wichtiger warnhinweis: die hagba’a für rechtshänder, wenn die Torah auf bereschit gestellt ist, ist eher schwierig und sollte entweder geübt sein, oder bedarf vieler, die drum herum stehen und ängstlich die hände in richtung der Rolle halten, um sie notfalls zu fangen. ich war nicht so geübt.

nach einem leckeren kiddusch – bestehend aus teils mitgebrachten milchigen/parven speisen – gab es eine spontaneinladung zu mitstudenten von mir, was meine persönliche feiertagsstimmung bei 100% hielt. nach viel schokolade (jona hat eine schokoladenfabrik ausgeraubt) beschlossen wir, erev simachat torah (diesmal wieder nach dem diaspora kalender berechnet) in der sefardischen synagoge zu feiern.

ich war zum ersten mal dort und es war ein wunderschönes erlebnis. zuerst aber ein hinweis an die frauen unter meinen leserInnen. es handelt sich dabei um eine orthodoxe gemeinde, d.h. seperat sitzen und passiv sein, aber der frauenbereich ist so zentral in der synagoge, dass frau mittem im geschehen sitzt und zumindest alles perfekt sehen kann (der einizig negative punkt in der synagogenbewertung). im anfang waren wir noch ein wenig aufgeschmissen, was den ablauf im siddur anging, aber die gemeindemitglieder waren so aufgeschlossen und freundlich, dass wir schnell den passenden siddur auf der richtigen seite in der hand hatten und unsere sitzpläte am rand zugunsten eines mitfeierns in der mitte der synagoge getauscht hatten. wer es uns gleich machen will, und die sefardische synagoge in berlin besuchen möchte, den erwarten tolle melodien und eine sehr lebendige gemeinde.

teil zwei des berichtes folgt in kürze 🙂