gestern habe ich als statusmeldung in facebook folgenden text eingegeben:

Adrian Michael Schell fragt sich, wie die Iran-Euphorie zu bewerten ist, die gerade um sich greift. Glaubt den wirklich jemand, dass sich die grundsätzliche Haltung des Irans, z.B. gegenüber Israel, ändern wird. Zudem befürchte ich, dass Mir Hossein Mussawi nur eine Spielfigur im Machtstreben anderer ist.

erste rektionen hierzu erhielt ich über nacht:

S***: Ich glaube auch, da wird so einiges verwechselt…andererseits steht zu hoffen, dass Moussavi jetzt nach den Protesten fuer einen umfassenderen Wandel steht.

C***: Glaubt Ihr, die Demonstranten gehen nur noch für Mousawi auf die Straße? Da geht es doch grundsätzlich darum, dass das System die Menschen an der kurzen Leine hält… Um Mousawi könnte man sich später immer noch kümmern 😉

M***: Oh Adi, das schätzt du leider falsch ein. Die Faszination liegt in der Nutzung der neuen Medien gegen eine Diktatur. Ein Großteil der Demonstranten will nicht Mussawi, sondern einen Regimewechsel. Mousawi gehört zum System, ist aber Reformer wie Chatami. hat Chatami Israel jemals mit Vernichtung gedroht? Diese Proteste finden u.a auch statt, weil Obama mit seiner Respect-Politik den Mullahs ihr liebstes Feindbild geraubt hat. Wenn die Mullahs und die Bombe als Israels “größte Bedrohung” verschwinden, hat auch Israel bessere Chancen für eine ehrliche Friedenspolitik ohne Rechtsextremisten wie Netanjahu und Lieberman, die auch nur aufgrund der geschürten Ängste regieren.

J***: zunächst mal: es kann nur besser werden. Und dann ist die Position Moussavis zu Israel und zur Shoa schon eine andere. Allerdings bin ich auch der Meinung, daß Scharfmacher wie Lieberman kaum das Recht haben, mit dem Finger auf andere zu zeigen – wenn sich die Situation für Israel nicht grundsätzlich ändern wird, liegt das auch an ihnen. Aber man wird sehen, was die nächsten Monate bringen – vielleicht nutzt Netanyahu ja die Gunst der Stunde und eröffnet Friedensgespräche mit Syrien, das wäre das klügste, was er jetzt tun könnte.

M***: …an den Mullahs hängen u.a Hamas und Hisbollah. Wenn die Unterstützung weg fällt, wäre das für Netanjahu ein schlimmer Tag. Er wäre gezwungen von seiner rassistischen und frevelhaften Politik abzuweichen und könnte von Obama zum Frieden gezwungen werden. Glaub mir, wenn Ahmadinedschad fällt, dann fällt auch Nasrallah.

S***: Jeder Spielt seinen Pion, wer den Zug vorher ahnt hat vorgesorgt, wer nicht muss sich in acht nehmen. Dieses Spiel in Iran wurde schon vor Jahren gespielt, jetzt wiederholt sich die sache, nur jetzt wurden die Zügeln in andere Hände gegeben. Ich bin mir sicher das in diese Region nur ruhe Herschen wird wenn andere Ihre Finger von dieser Region lassen.

M***: Bei den Demonstrationen geht es ja um Fragen wie: Wo ist meine Stimme. Es geht um das Menschenrecht auf freie Wahlen und die Möglichkeit, demonstrieren zu können ohne gehindert, verletzt oder gar umgebracht zu werden. und die eigene Geschichte hat mir bewusst gemacht, wie wichtig das ist. Ich glaube, niemand ist so naiv zu denken, dass sich im Iran grundsetzlich etwas ändert. Aber selbst die berühmten kleinen Tropfen auf dem heißen Stein werden mal zu einem Fluß. Die ” Iran-Euphorie” ist eigentlich, so denke ich, vor allem ein Zeichen der Solidarität mit den Leuten auf der Straße. Man muss sich schon sehr stark Reformen wünschen um unter diesen Umständen noch auf die Straße zu gehen, ich kann nur hoffen, den gleichen Mut zu haben.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia

die rektionen helfen mir, eure gründe für die solidarität zu verstehen und selbstverständlich teile ich diese. die bilder sind erschreckend und sind kaum auszuhalten. sie sind ein guter beweis dafür, dass es sich im iran nur um eine pseudodemokratie handelt, die sofort zuschlägt, sobald sie die kontrolle zu verlieren scheint. wie viele andere glaube ich auch, dass eine veränderung NUR aus dem system heraus kommen kann. wer auch immer veränderungen will, muss verbündete in den bestehenden strukturen haben, die ihn stützen und ggf. die lage beruhigen.

beunruhigend war für mich aber eine analyse, in den gestrigen tagesthemen , die einen blick auf die “verbündeten” von mussawi freigab: “einige großajatollahs wollen wieder mehr macht; weg von der zentralen machtposition des präsidenten”. mussawi könnte daher wirklich nur eine spielfigur im schachspiel einiger älterer männer sein und meine angst besteht weiterhin vor einer zunehmenden islamischen fundamentalisierung. der preis für die revolution könnte genau dies sein.

ich bin zu weit weg und kenne mich zu wenig aus, um wirklich die lage auch nur annähernd einschätzen zu können. vom bauchgefühl her kann ich aber sagen, dass meine erwartungen nicht groß sind.

*** NACHTRAG *** – Weitere Reaktionen von meiner Facebook-Seite:

N***: oh mann!! den demonstranten geht es doch nicht um Mousawi! sondern um den Sturtz des Regiemes!! darum gibt es diese Euphorie! wenn das gelingt ändert dies schlagartig die Situation nicht nur im Iran, sondern im gesamten Nahen Osten!. Wer -außer den westlischen Medien – spricht denn von Mousawi? der wäre ja nur ne zweite Marionette des Regimes! das ganze wollen sie weg haben. der kleiner azzari der gerade herumspukt, ist doch nichts anderes als ein regime-kasperl. seit 1979 terrorisieren die Mullahs die Bevölkerung, wie die deppen nun heißen ist doch einerlei..

J***: ich bin mir ziemlich sicher, daß es den Leuten auch um Moussavi geht. Als Anlaß und als Führungsfigur. Wenn Moussavi überlebt und sich tatsächlich was ändert, wird er eine wichtige Rolle spielen. Ob er aus seiner Rolle als Revolutionär dann noch heraus kann, ist eine andere Sache. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, daß sich das System von innen heraus transformieren und erneuern wird, erste Anzeichen dazu sind da. Eine säkulare Demokratie wird Iran sicher nicht werden – ob das von der Bevölkerung gewünscht ist, halte ich auch für sehr zweifelhaft. Und – meiner beschiedenen Meinung nach – ist das auch nicht notwendig.

J***: Mousawi will keine grundsätzliche Änderung. Er wurde gegen seinen Willen zu einer Symbolfigur einer Demokratiebewegung, die er so nicht haben wollte und diese Bewegung will zwischenzeitlich mehr, als nur eine Neuauszählung der Stimmen.