Welcher Siddur (jüdisches Gebetbuch) ist für mich das richtige? Vor einiger Zeit habe ich nachfolgende Bücherliste nach einem Vortrage von Niels Ederberg zusammengestellt, die einen ersten vertiefenden Einblick zu dem Thema ermöglicht:
Übersichtsbände
- Liturgiegeschichte: Elbogen, I., Der jüdische Gottesdienst, Olms Verlag, ISBN 3-487-01587-0
- Jakob J. Petuchowski: Prayerbook Reform in Europe: The Liturgy of European Liberal and Reform Judaism, URJ, ISBN 0-8074-0091-2
- Hoffman, Lawrence A.: Beyond the Text: A Holistic Approach to Liturgy, Indiana University Press, ISBN 0253205387
- Hoffman, Lawrence A.: My People’s Prayer Book – Traditional Prayers, Modern Commentaries, 10 Bände, Jewish Lights Publishing, z.B. Band 1: The Sh’ma and its Blessings ISBN 1879045796
Siddurtraditionen
- Minhag (Nussach) Ashkenaz (traditioneller deutscher Ritus)
- Minhag (Nussach) Sfarad (chassidischer / mystischer Ritus)
- Minhag Sefardi (sefardischer / mizrachi Ritus)
- Bnei Roma (Ritus der Gemeinde in Rom und einiger italienischer Gemeinden)
- Militärsiddurim (Israel, USA etc.) als Mischformen verschiedener Traditionen
- Reformsiddurim speisen sich ebenfalls aus aschkenazischen und sefardischen Quellen s.u.
Orthodoxe Siddurim
– streben traditionelle Vollständigkeit an
– wenig Zugang an neuen Gebeten
Beispiel Artscroll: Zielnutzer: Ba’alei T’schuwah, da viele Anleitungen im Siddur enthalten, umfangreiche Fußnoten, Quellenverweise, jedoch sehr einseitige religiöse Ausrichtung, diverse Ausgaben.
Beispiel Rinat Israel: israelischer Standard Siddur, modern-orthodox/national-zionistisch geprägt – siehe auch: http://www.sprachkasse.de/blog/2006/09/20/siddur-rinat-israel/, und http://en.wikipedia.org/wiki/Rinat_Yisrael
Reconstructionist
Abspaltung vom konservativen Judentum. Der Siddur enthält teils traditionelle Texte, teils neue/alternative Texte als Meditationen oder als neue Gebete. G’tt in männlicher, weiblicher, sing. und plural Anrede, keine Auserwähltheit von Israel
Masorti / Konservativ
Traditionelle Gebetsanordnung, gekürzt um Pijutim, Lerntexte etc. Teisl mit alternativ-Texten und Meditationen. Veränderungen des traditionellen Textes an einigen Stellen, so z. B. Erinnerung an das Tempelopfer – statt bitte zur Wiederherstellung des Tieropfers.
Beispiel Sim Shalom(USA), heute in zwei Bänden lieferbar, englisch-hebräisch und Wa’ani Tefilati (Israel).
Reform Siddurim
Kürzung der traditionellen Texte und größere Freiheit in der Anordnung der Texte, Vermeidung von Doppelungen (z.B. morgens nur einmal Aschrei), stärkere Akzentuierung, Aufnahme von modernen Texten in die Liturgie, „politische“ Durchsicht der Texte mit Schwerpunkt auf die ethischen Zielrichtungen der Reformbewegung (Universalismus, Egalitär, Streichung des Tempeldienstes usw.).
Beispiele: Mishkan T’filah (neu, USA), Seder HaTfilot (Deutschland), Seder HaTfilot (neu, England)
Im Internet:
SEHR EMPFEHLENSWERT! Eine ganze Auswahl an Siddurim online (diverse Minhagim und Anlässe) findet man auf der Website von Da’at. Alle Texte lassen sich übrigens hervorragend in Worddokumente übernehmen. -> [HIER]
(Wenn Ihr das Problem habt, dass bei der Übernahme von hebräischen Texten, dieser in umgekehrter Buchstabenreihenfolge in Eurem Dokument erscheinbt, hilft Euch eventuell folgendes Tool im Internet weiter: Zooloo)
Chajm hat in seinem Blog zu einigen Siddurim, vor allem zu eigenen Siddur-Projekten, einiges geschrieben -> [HIER].
Ariel Benjamin hat ein “Open Source” Siddur-Projekt HIER gestartet.
Auf der Seite von Kesher (Studentenorganisation der amerikanischen Reformbewegung) finden sich einige interessante Siddurvorlagen und weitere Materialien -> [HIER].
Die Liste ist noch lange nicht vollständig. Bitte nutzt die Kommentarfunktion, wenn Ihr wertvolle Tipps teilen wollt. Danke.