gestern wurde mir die frage gestellt, wie meine umwelt darauf reagiert hat, als ich mich entschied, religiös(er) zu leben. es ist nun ja schon einige jahre her und so ist es im nachhinein nicht mehr so einfach klar zu trennen, wie es wirklich war und was ich in die reaktionen der anderen hineindeute, aber ich wage doch eine antwort.
als buchhändler lebte und bewegte ich mich vor allem in einem aufgeklärten, intellektuellen umfeld. meine eigene stark säkulare familie und der dazu gehörige freundes- und bekanntenkreis bildeten einen weiteren teil dieses umfeldes. ich kann mich – wenn überhaupt- nur an wenige regelmäßge kirch-/synagogengänger erinnern. die bewusste entscheidung religiös zu sein und dies auch noch durch ein aktives einbringen in ein gemeindeleben zu untermauern, wurde zwar allgemein toleriert, aber wie weit es respektiert wird und wurde weiss ich nicht. ich würde behaupten, dass es a. eine gewisse verwunderung erzeugte und b. eher belächelt und als spinnerei abgetan wurde.
wer religiös lebt, hat nicht alle tassen im schrank. religion ist in deutschland so zur privatsache geworden, dass jemand, der seinen glauben an G’tt öffentlich macht, einen schritt raus aus diesem konsens macht. gestern abend wurde in der talkshow von Maybrit Illner zum thema “Ich bin dann mal gläubig …” diskutiert und im grunde bestätigte diese runde meine beobachtung. wenn in der öffentlichkeit über religiösitat gesprochen wird, dann nur als happening bzw. unseriös. es brauch mindestents eine person, die den glauben der menschen in frage stellt oder zu einer lachnummer macht und einen der glauben relativiert, so dass der gläubige milde belächelt seine kleine extravaganz weiter ausleben kann, solange er es zuhause macht.
ernsthafte gespräche über religion sind nicht immer möglich und oft unbequem. ein katholik wird wahrscheinlich immer mit dem papst-argument totgeschlagen und ein jude mit der politik in israel. wenn schon über religion diskutieren, dann aber nur auf einer vermeintlich rationalen vernunftsebene. schade eigentlich. zugegeben, es kommt vor, dass ich mich diesen diskussionen nicht immer stellen will und daher dem einen oder anderen gegenüber “verheimlicht” habe, dass mein leben maßgeblich durch meinen glauben bestimmt ist. ich will nicht damit sagen, dass ich mich geschämt habe, aber nicht immer hatte ich die lust, oder die kraft mich einer diskussion um meinen weg zu stellen.
mein freundeskreis hat sich in den letzten jahren deutlich gewandelt. es liegt sicherlich an beiden seiten. ich suchte mir freunde, die ebenfalls jüdisch leben, die mein lebensstil nachvollziehen können und konnten und wahrscheinlich auch meine freunde von damals, die sich in ihren bahnen weiterbewegen wollen und wollten. sehr gerne denke ich an sie zurück und dank email und co. sind wir ab und an noch ein wenig in kontakt, aber es sind doch unterschiedliche welten.
shabbt shalom