beunruhigend

freunde in den usa und israel haben mich zu beginn meines studiums immer wieder gefragt, ob deutschland den der richtige ort sei, um jüdisch zu leben und dort eine ausbildung zum rabbiner zu machen. immerhin sei dies ja mit einer gewissen öffentlichkeit verbunden. meinen freunden habe ich immer wieder versichert, dass deutschland ein sicherer ort sei. vielleicht der sicherste für juden in ganz europa.

nach den nachrichten, dass in berlin ein jüdischer kindergarten von nazis beschmiert und “angegriffen” wurde (eine rauchbome, die in das gebäude geworfen wurde hat nicht gezündet), bin ich in meiner aussage gegenüber meinen freunen verunsichert. [hier der artikel aus der morgenpost] aber nicht nur das jüngste ereignis trägt dazu bei.

wie ihr vielleicht gelesen habt, bin ich ursprünglich aus münchen. meine aussage, deutschland sei sicher, würde ich für diese stadt immer noch so 100% unterschreiben. hier kann/könnte ich mit kippa durch die straßen gehen, ohne ein mulmiges gefühl zu haben. die stadt vermittelt mir weiterhin das gefühl, in einer offnen, toleranten gesellschaft zu leben. ich kann nicht ausmachen, woran es liegt, was die stadt anders macht, aber vielleicht liegt es einfach daran, dass in meinem gefühl allein der münchner ansich (pauschalisiert) mehr an seiner stadt und seinem umfeld interessiert ist, als der berliner. ich verspüre ein größeres miteinander, als ein nebeneinander her leben.

in berlin, so habe ich ja schon in meinen ausführungen zu den no-go-areas geschrieben, erlebe ich etwas anderes. mit sichtbarer kippa gehe ich nur in einem mir gut vertrauten, kleinen umfeld. in der regel nur in einer gruppe. ansonsten habe ich eine mütze über der kippa oder ich trage keine kippa. im anfang kam ich etwas blau-äugig nach berlin und musste mir recht schnell dumme kommentare und die eine oder andere beschimpfung anhören. die stänkerer waren keine nazis, sondern junge männer die durch fanatische islamisten aufgehetzt wurden.

heute sage ich meinen freunden, dass jüdisches leben in deutschland, insbesondere in berlin, genauso sicher/unsicher ist wie in jeder anderen europäischen stadt. ich glaube weiterhin, dass unsere gesellschaft die neonazis in griff bekommt – hier habe ich weiterhin großes vertrauen in die sicherheitsorgane. auch verliere ich nicht die hoffnung, dass es in den nazihochburgen in ostberlin und den neuen bundesländern zu einem wandel kommt. zumindest ist dies eine – für mich greifbare und klar einzugrenzende – größe.

hoffnungslos bin ich aber, was den einfluss der radikalen islamisten auf die muslimischen gemeinden in deutschland angeht. die gesamtdeutsche gesellschaft hat hierauf keinen einfluss scheint mir und die demokratischen, politischen vertretungen der muslime scheinen ebenfalls hilflos, angesichts der vielen gruppierungen. für mich ist die entwicklung nicht fassbar, ich weiss nicht wohin sie steuert und welche gefahren sie für uns juden birgt. vor allem ist dieser stimmungswechsel innerhalb der “türkischen” gemeinde für mich so unverständlich und enttäuschend, entspricht der sich breit machende antisemitismus doch überhaupt nicht der mir bekannten türkischen tradition.

die türkei war eines der wenigen länder, die juden während der shoah eine fluchtmöglichkeit geboten hat, die israel seit der staatsgründung partnerschaftlich, ja sogar freundschaftlich, bei seite gestanden hat und die zuwanderer aus der türkei (der ersten und zweiten generation ) die zu meinem bekanntenkreis gehören mir ebenfalls ein anderes bild vermittelt haben und immer noch vermitteln.

bleibt zu hoffen, dass wir keine französischen verhältnisse bekommen werden. ich weiss nicht, wie es euch geht? wie seht ihr die entwicklung in deutschland? wie sind eure erfahrungen?

2 Comments

  1. Juebe

    Die hier geschilderte Sicht der Türkei während der Schoah scheint mir doch zu rosarot. Ja, die Türkei hat jüdische Emigranten aufgenommen, weil man sie zum Aufbau des Landes wollte und brauchte. Die jüdischen Emigranten spielten eine wichtige Rolle bei der Modernisierung der Türkei.
    Aber: Den in Deutschland lebenden türkischen Juden wurde auf Wunsch des Nazi-Regimes von der Türkei 1938 die türkische Staatsbürgerschaft entzogen. Sie waren daraufhin staatenlos und wurden deportiert. In Berlin hat nur ein einziger Jude aus der türkischen Community überlebt, und in Berlin gab es ein paar hundert Juden aus der Türkei.

  2. Adi

    ohh, danke für diesen beitrag. ich wusste es nicht. und ich glaube, dass dies auch nicht meine freunde wissen, von denen ich oben geschrieben habe.

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