Tag: Ha’asinu

Parashat Ha’azinu: A divine promise

Parashat „Ha’azinu“ consists of the last prayer Moshe says, in front of the people. In this wonderful composed prayer, he explains once again that God is perfect, and full of mercy. God is never wrong, he is true and „YaShar“, straight. For the last time, Moshe reminds his people to be honest in their dealings towards God, to remember the past, and to teach the lessons, which can be drawn from the story to the next generation.

The Haftarah, which is linked to this Shabbat, and where this Shabbat’s name is actually taken from, starts with a prophetic warning to Israel, to return to God, – la’shuv.

Both texts are here to give this Shabbat a special meaning. This period between Rosh haShanah and Yom Kippur is very special and unique; our relationship with God reaches a different level. From my understanding, it is intended that we get closer to God. During this period, it becomes easier to address God in reviewing the past year – What was good, what was not so good, what went wrong? We are standing in front of the Eternal, as our own lawyers in a trial, presenting our case, ourselves, to the judge.
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Hoffung und Trost – Drascha zum Schabbat Schuwa

Diesen Schabbat lasen wir den vorletzten Wochenabschnitt im Jahreslauf der Toralesungen. Die Parascha “Ha’asinu” ist das letzte Gebet, dass Moses vor der Gemeinde Israels spricht. In den Versen des Gebets erklärt Moses noch einmal, dass Gott perfekt und gerecht ist. Gott, so Moses ist “niemals falsch”, sondern immer “wahr und geradlinig”. Ein letztes Mal warnt der Moses davor, nicht Ehrlich gegenüber Gott zu sein und er mahnt die Kinder Israels, sich ihrer Geschichte zu erinnern und sie an die nächsten Generationen weiterzugeben.
Die dazu gehörige Haftara, die auch diesem Schabbat seinen Namen gibt, enthält die prophetischen Mahnung: Kehre um Israel – macht Teschuva.

Beide Texte helfen uns, dem Schabbat zwischen Rosch HaSchana und Jom Kippur eine besondere Bedeutung zu geben. Entsprechend der jüdischen Tradition sind die 10 Tage zwischen Rosch Ha Schana und Jom Kippur ganz besondere Tage. An ihnen ist unsere Beziehung mit Gott auf einer anderen Ebene. Wir sind – wenn wir es wollen – Gott näher. Es ist die Zeit – wie ich schon erklärt habe – Bilanz zu ziehen. Nicht nur das Negative, sondern auch das Positive können wir Gott vortragen.

Und hier genau greift die Botschaft unserer biblischen Texte. Bilanz ziehen bedeutet immer, in die Vergangenheit zurückzukehren. Die 10 Tage sollen eine Art Reise durch das letzte Jahr sein. Vor unserem inneren Auge kehren wir zurück zu den Ereignissen, die uns dieses Jahr geprägt haben. Momente, die schön waren, die einmalig waren, die uns Angst gemacht haben und Ereignisse, zu denen wir uns vielleicht anders hätten verhalten können oder müssen. Das ist die Ehrlichkeit, die Moses einfordert. Lasst mich die Worte Moses dahingehend erweitern, dass wir zunächst ehrlich gegenüber uns selbst sein müssen. Nur dann können wir auch ehrlich gegenüber Gott sein.

Das ist das Schwerste. Ganz ehrlich. Mir fällt es oft viel schwerer, mir selbst gegenüber ehrlich zu sein, als anderen gegenüber. Viel zu oft erwische ich mich dabei, dass ich das eine oder andere “übersehe”. Oder ich will es so nicht wahrhaben. Habe ich wirklich so gehandelt, habe ich das wirklich gesagt? Oder ich bin zu streng mit mir selbst. Die Maßstäbe, die ich an mich selbst anlege, sind oft nicht ganz fair uns korrekt. “Das schaffst Du nicht!” sagt man zu sich selbst viel zu oft, statt sich selbst mehr zuzutrauen. Oder man nimmt sich zu viel vor, und weiß, dass es besser wäre, etwas weniger zu machen und dafür das andere genießen zu können.

Teschuva, die Rückkehr zu Gott, beginnt mit der Ehrlichkeit gegenüber uns selbst. Wie gesagt, das ist der schwierigste Teil. Alles andere, was dann folgt, wird dann viel viel leichter.
Die Botschaft der Bibel richtet sich aber nicht nur an uns Individuen. Es ist auch eine Botschaft an unsere Gemeinschaft. Wir alle sind gemeinsam verantwortlich für die Geschichte Israels und wie wir die Zukunft für die kommenden Generationen gestalteten. Am Schabbat zwischen den Feiertagen soll uns diese Verantwortung genauso bewusst werden, wie die Verantwortung für uns selbst. Schon der biblische Text spielt damit, dass Israel sowohl der Zweite Name von Jakob ist, als auch der Name des ganzen Volkes. Wir alle sind Israel, d.h. jeder von uns ist Jakob, der mit Gott in einer besonderen Beziehung steht und auch mal mit Gott streitet. Und jeder von uns ist auch das Volk Israel. Israel als Volk braucht jeden einzelnen von uns. Judentum lebt davon, dass jeder einzelne das einbringt, was er oder sie kann. Im Judentum gibt es keinen Papst oder König, der für alle spricht. Jeder einzelne repräsentiert das Judentum, so wie es gerade ist. Das macht es so spannend, so lebendig und vielfältig. Aber es ist auch eine große Verantwortung. Und wenn wir an den Hohen Feiertagen Bilanz ziehen, dann bedeutet es eben auch, dass wir als Gemeinschaft umkehren sollen und schauen müssen, was wir als Gemeinschaft erreicht haben. Was haben wir alle dazu beigetragen, dass diese Welt eine lebenswerte Welt für alle Menschen ist? Welche Grundlagen haben wir gelegt, damit die jüdischen Werte weitergegeben werden können? Wo gibt es Bedarf für Verbesserungen in der Zukunft?

Moses hat in seinem Gebet noch eine weitere wichtige Botschaft, die ich bisher noch nicht erwähnt habe, die aber hier zum Schluss Hoffnung uns Trost geben soll. Gerade weil die Bilanzen, die wir wahrscheinlich alle ziehen werden, oft nicht so positiv ausfallen, wie es wünschenswert wäre, gibt uns Moses noch mit auf den Weg, dass Gott immer an unserer Seite stehen wird. So lange wie wir auf Gott vertrauen und den Ewigen nicht vergessen, so lange wird er uns begleiten. Wir sind Menschen und unsere Bilanzen sind die von normalen Menschen. Wir sind keine Engel oder Übermenschen. Wir machen Fehler, so wie alle Generationen vor uns. Gott ist, um es noch einmal mit den Worten der Tora zu sagen, geradlinig und gerecht. Wir können uns darauf verlassen, dass wir auf unseren Wegen, sowohl in die Vergangenheit, als auch in die Zukunft, niemals alleine sein werden.

Schana Tova v’Gmar Chatima Tova

Ohne Abschied geht es nicht – Shabbat Schuva

Der vergangene Schabbat war einer dieser besonderen Schabbatot, die ich persönlich sehr schätze. Er passt perfekt in diese Zeit. An ihm empfinde ich eine besondere Stimmung. Das Festliche von Rosch HaSchana liegt noch in der Luft und die nachdenkliche Stimmung der 10 Bußtage und von Jom Kippur sind fast greifbar.

Der Schabbat trägt den Namen „Schabbat Schuva“ – der Schabbat der Umkehr. Natürlich ist das auf die Hohen Feiertage bezogen. Dieser Schabbat soll uns auf dem Weg der Umkehr, der Teschuva, bestärken.

Es ist ein Teil unserer jüdischen Tradition, dass wir genau an diesem Schabbat den Wochenabschnitt „Ha’asinu“ lesen, gemeinsam mit allen anderen jüdischen Gemeinden. Im vorletzten Wochenabschnitt der Tora begegnet uns Mosche zum letzten Mal in einer großen Ansprache an das ganze Volk. In einem großen Gebet, das sehr poetisch verfasst ist, spricht er über die Gerechtigkeit Gottes und darüber, dass G’tt der Retter Israels war und ist, auch wenn das Volk immer wieder dem Götzendienst verfallen war. Mosche ermahnt die Israeliten die Tora in ihrem Herzen zu tragen, den sie ist unser Leben. Nach dieser Ansprache ruft G’tt Mosche auf den Berg Nebo, an der Grenze zu Kana’an, dem versprochenen Land. Von dort hat Mosche die Möglichkeit, das ganze Land zu überblicken. Aber G’tt macht auch klar, dass Mosche nicht mit über den Jordan ziehen darf. Er muss zurück bleiben.

Für mich ist es kein Zufall, dass dieser Wochenabschnitt genau am Schabbat zwischen Rosch HaSchana und Jom Kippur gelesen wird. Spiegelt er doch genau die Gefühle wieder, die so prägend für diesen Schabbat sind. Wir ziehen wie Mosche Bilanz, schauen zurück, hoffen, dass das, was wir in Vergangenheit gemacht haben, Früchte tragen wird. Und wir schauen in die Zukunft. Wir blicken auf das „Land, das wir erobern müssen“, auf das neue Jahr vor uns. Auch wenn wir schon gemeinsam den Jahresanfang in den Tagen zuvor gefeiert haben, so richtig sind wir noch nicht angekommen. Und die Mahnungen von Mosche an die Israeliten sind auch für unseren Weg von Bedeutung.

Dieser Wochenabschnitt trägt neben dem Nachdenklichen auch etwas trauriges in sich. G’tt Erinnerung an Mosche, dass dieser nicht selbst ins Land Kana’an einziehen darf ist Jahr für Jahr eine traurige Mahnung, dass unser Handeln auch Konsequenzen haben kann, die nicht erstrebenswert sind. Zudem stehen die Schilderungen von Mosches Tod unmittelbar bevor. Ein Abschied, den wir Jahr für Jahr – wie alle Generationen vor uns – genau zu diesem Zeitpunkt im Kalender vollziehen müssen. Gerade dieser Teil birgt eine wichtige Lehre für uns. Der Wochenabschnitt vermittelt uns die Botschaft, dass jeder Neuanfang auch ein Loslassen beinhaltet.

Ein Abschiednehmen gehört zu jedem Neubeginn.

Zum Beispiel gehörte zum Einzug in unsere neue, wunderbare Synagoge in Hameln, dass wir die alten Räume zurücklassen mussten. Das war zwar einfach, aber denkt man an die vielen schönen Momente, die wir auch in der alten Synagoge hatten, schleicht sich doch ein bisschen Wehmut mit ein. Die alten Räume waren vertraut und eine Heimat, die zu verlassen schon nicht mehr ganz so leicht war. Heimat ist ein weiteres Stichwort. Eigentlich fast jeder von uns ist schon mehrfach in seinem Leben umgezogen. Das ist Teil unserer mobilen Welt. Einige haben sogar Ländergrenzen auf ihrer „Reise“ überwunden. Jeder weiß, dass der Abschied trotz aller Vorfreude auf das Neue sehr schmerzhaft sein kann. Freundschaften, Liebe, Partnerschaften – nichts gibt es ohne Abschiednehmen. Und sei es nur ein Abschied von der Einsamkeit. Loslassen hat immer beide Seiten. Etwas trauriges und etwas schönes.

Der Wochenabschnitt Ha’asinu beschreibt genau das:
Der Neuanfang, die Eroberung des Landes Kana’an hätte nicht gelingen können, wenn Mosche weiterhin der Anführer der Israeliten geblieben wäre. Neue Wege brauchten neue Strategien. Um neue Wege beschreiten zu können, braucht man auch Freiraum, Freiraum um sich entfalten zu können. Wie hätte eine neue Generation von Anführern die notwendige Autorität gewinnen können, wenn Mosche noch immer an der Spitze gestanden hätte.

Für uns, jetzt und heute, ist die Botschaft die gleiche. Umkehr bedeutet nicht, dass wir irgendwohin zurückgehen sollen. Umkehr bedeutet, dass wir einen Weg beschreiten sollen, in dem das g’ttliche mehr Platz in unserem Alltag findet. Das sind eventuell sogar „Orte“, die völliges Neuland für uns sind. Im gehört dazu, dass wir etwas zurücklassen müssen. Vielleicht eine liebgewordene Angewohnheit, oder etwas, dass uns das Gefühl von Sicherheit gegeben hat, vielleicht nur gewisse Routinen. Hoffentlich ist auch etwas dabei, das wir gerne zurücklassen. Abschied muss nicht immer etwas schlechtes sein. Nur, ohne Abschied geht es nicht.

Das ist die Botschaft von diesem Wochenabschnitt und von diesem besonderen Schabbat. In wenigen Tagen ist Jom Kippur. Möge die verbleibende Zeit bis dahin Euch helfen, Eure eigenen Wege zu finden. Und wem das nicht reicht. Jeder Tag ist auch ein neuer Tag. Jom Kippur, Teschuva und ein Neubeginn braucht keinen festen Tag im Kalender, sondern nur einen festen Willen.

Gmar Chatima Tova