Jews by choice

marek halter schreibt in seinem buch “alles begann mit abraham” sinngemäß, dass alle, die heute ein bewusst-jüdisches leben führen, jews-by-choice, juden aus freier wahl, sind. ich stimme dem zu. vor allem, weil diese aussagen eine tiefgreifende ehrlichkeit und respekt gegenüber den menschen zeugt, die nicht jüdisch geboren wurden, sondern erst im laufe ihres lebens den weg ins judentum gefunden haben.

ich werde den eindruck nicht los, dass “geborene juden” häufig gegenüber juden, die einen gijur gemacht haben, eine kritische, wenn nicht sogar ablehnende haltung einnehmen und ihnen ihren weg und damit ihre leistung zum vorwurf machen. so habe ich gestern wieder von einem bekannten die klage gehört, dass in einigen synagogen mehr konvertiten “rumhängen”, als geborene juden. ja und?! es ist ja wohl nicht denen zum vorwurf zu machen, die in die synagoge kommen, dass sie kommen, sondern denen, die wegbleiben (wenn man überhaupt jemanden den vorwurf machen kann).

wie market halter so schön schreibt, es gab eine bewusste entscheidung, jüdisch zu leben. es ist eben etwas anderes, wenn man nur durch “zufall” jüdisch ist, oder wenn man sich dafür entscheidet. man entscheidet sich dann auch dafür, in die synagoge zu gehen, an den feiertagen teilzunehmen, kashrut zu halten, sich zu engagieren.

ja, ein gesunde mischung von geborenen und gewordenen ist schon wichtig, damit beide seiten von einander lernen, aber die verantwortung hierfür können nur die geborenen übernehmen, in dem sie öfters in die synagogen kommen, bzw. sich aktiv an der integrationsarbeit beteiligen. jemand der einen gijur gemacht hat, muss lernen können, dass man (wahrscheinlich) nicht vom blitz erschlagen wird, wenn man einmal an shabbat an den see fährt (vereinfachtes beispiel). im gegenzug können gerade gewordene mit am besten vermitteln, dass “jüdisch sein” etwas sehr positives sein kann.

am meisten ärgert mich aber, dass juden, die einen gijur gemacht haben, ihre “mangelnde” lebenserfahrung als juden vorgeworfen wird. das ist nicht nur unfair, sondern zeugt von magelndem respekt vor den lebenserfahrungen und -leistungen dieser menschen. nein, jemand, der erst mit 30 oder 40 konvertiert, wird niemals die erfahrung machen können, was es heisst auf einem machanee (jugendfreizeit) gewesen zu sein, er oder sie hatte nie eine bat- oder bar mitzwah und so weiter. aber das bedeutet doch nicht, dass der oder diejenige vom baum gefallen ist und erst in der sekunde mit seinem eintritt ins judentum angefangen hat zu existieren. jeder einzelne hat eine biographie, die eine bereicherung für das judentum sein kann, wenn sie anerkannt wird. kein geborener wird jemals erfahren was es bedeutet, einen gijur zu machen, was es bedeutet, sich neue traditionen zu erarbeiten usw.

unsere gemeinden sind schon lange nicht mehr ein spiegelbild eines jüdischen lehrbuchs. sie leben von menschen unterschiedlichster herkunft und das macht auch ihren reichtum aus. ein ausspielen von russen gegen deutsche oder von gewordenen gegen geborene ist kontrakproduktiv und beschämend.