gestern abend war ich als referent gast auf einer veranstaltung der rosa luxemburg stiftung in jena. vor rund 50 teilnehmern diskutierte ich mit frau professor ilse nagelschmidt über jüdisches leben in deutschland und die verantwortung von religionen für die gesellschaft. für mich war es eine spannende erfahrung, da ich zum ersten mal, als rabbinerstudent in einer solchen veranstaltung vorne gesessen habe – frei, ohne skript, ohne vorherigen fahrplan, ohne feste themenvorgabe. gefragt war die persönliche, subjektive einschätzung in einem angenehmen gespräch mit meiner dialogpartnerin und den höchst unterschiedlichen teilnehmerInnen.
ich habe versucht darzustellen, dass ein religiöses leben, in meinem fall ein jüdisch religiöses leben, ein wichtiger und wertvoller beitrag im rahmen eines gesellschafts(politischen) engagement sein kann und auch ist. das religion nicht in hinterhöfe oder keller gehört, sondern in die öffentlichkeit, da nur hier vorurteile (und zwar auf beiden seiten) sichtbar werden und abgebaut werden. mir war wichtig, aufzuzeigen, dass jüdisches leben in deutschland, mit der zuwanderung aus den FSU staaten, eine große bereicherung für deutschland im ganzen, und nicht nur für die gemeinden im einzelnen war und ist. jüdisches leben ist dadurch viel präsenter und lebendiger geworden. es geht nicht nur noch darum (ich zitiere hier herrn olmer aus bamberg), friedhofsverwalter zu sein, sondern aktiv jüdisches leben zu gestalten. durch jüdische mitglieder in den gemeinden und durch die mehrheitsgesellschaft, also jeden einzelnen bürger in deutschland.
leider – und hiermit komme ich auf den vorfall zu sprechen, den ich durch die überschrift angedeutet habe – meinen einige bürger dieses landes, dass sie jüdisches leben durch sehr üble art mitgestalten können. unweit von jena haben sich in der letzten nacht zwei vorfälle ereignet, die mir heute morgen, bei meinem besuch in der synagoge, vom gemeindevorsitzenden berichtet wurden. nazis haben in der nacht zwei jüdische friedhöfe geschändet. in gotha in besonders perverser weise durch das anbringen eines schweinekopfes an der zugangspforte.
gestern abend wurde ich gefragt, warum synagogen bewacht werden müssen. leider hat die realität die passende antwort dazu gegeben.
so bleibt die bilanz meines “ausfluges” nach thürigen keine ungetrübte. auf der einen seite menschen, die – vor allem nach dem todschweigen eines jüdischen lebens in der ddr – ihren hunger nach informationen ernsthaft stillen und sich für ein pluralistisches miteinander einsetzen und einer kleinen jüdischen gemeinde, die in einem plattenbau jüdisches erbe nicht nur als erinnerung versteht, sondern als baustein für eine zukunft. und auf der anderen seite, faschisten, die durch feige anschläge sämtliche bemühungen um eine positiv geprägtes miteinander auf eine probe stellen. ( mal schauen, ob die nächste montagsdemo, die jede woche in jena stattfindet, mal nicht gegen hartzIV gerichtet sein wird, sondern für ein lebendiges, jüdisches leben in deutschland. eine gerechte gesellschaft beginnt nicht bei hartz IV, sondern weit davor.)
p.s. die bild zeitung berichtete übrigens als erste inländische zeitung von der friedhofsschändung.