Category: Diskussion (Page 3 of 10)

drei mal tikkun olam – gedanken zu jom kippur

an jom kippur sitzen wir den ganzen tag in der synagoge und beten und beten und beten. manchmal kann man sich schon fragen, ob und wie beten uns helfen kann? was soll das ganze beten? kann es nicht sein, dass taten wichtiger sind als worte?

stellt euch vor, alle juden, die an jom kippur in der synagoge sitzen, würde gemeinsam die synagoge verlassen und in die wälder gehen und müll aufsammeln. frei haben wir sowieso, also lasst uns doch die zeit für etwas sinnvolleres nutzen und einfach unsere umwelt etwas sauberer machen – TIKKUN OLAM statt herumzusitzen und zu beten?!
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Ist der Iran auf dem Weg zur Revolution?

gestern habe ich als statusmeldung in facebook folgenden text eingegeben:

Adrian Michael Schell fragt sich, wie die Iran-Euphorie zu bewerten ist, die gerade um sich greift. Glaubt den wirklich jemand, dass sich die grundsätzliche Haltung des Irans, z.B. gegenüber Israel, ändern wird. Zudem befürchte ich, dass Mir Hossein Mussawi nur eine Spielfigur im Machtstreben anderer ist.

erste rektionen hierzu erhielt ich über nacht:

S***: Ich glaube auch, da wird so einiges verwechselt…andererseits steht zu hoffen, dass Moussavi jetzt nach den Protesten fuer einen umfassenderen Wandel steht.

C***: Glaubt Ihr, die Demonstranten gehen nur noch für Mousawi auf die Straße? Da geht es doch grundsätzlich darum, dass das System die Menschen an der kurzen Leine hält… Um Mousawi könnte man sich später immer noch kümmern 😉

M***: Oh Adi, das schätzt du leider falsch ein. Die Faszination liegt in der Nutzung der neuen Medien gegen eine Diktatur. Ein Großteil der Demonstranten will nicht Mussawi, sondern einen Regimewechsel. Mousawi gehört zum System, ist aber Reformer wie Chatami. hat Chatami Israel jemals mit Vernichtung gedroht? Diese Proteste finden u.a auch statt, weil Obama mit seiner Respect-Politik den Mullahs ihr liebstes Feindbild geraubt hat. Wenn die Mullahs und die Bombe als Israels “größte Bedrohung” verschwinden, hat auch Israel bessere Chancen für eine ehrliche Friedenspolitik ohne Rechtsextremisten wie Netanjahu und Lieberman, die auch nur aufgrund der geschürten Ängste regieren.

J***: zunächst mal: es kann nur besser werden. Und dann ist die Position Moussavis zu Israel und zur Shoa schon eine andere. Allerdings bin ich auch der Meinung, daß Scharfmacher wie Lieberman kaum das Recht haben, mit dem Finger auf andere zu zeigen – wenn sich die Situation für Israel nicht grundsätzlich ändern wird, liegt das auch an ihnen. Aber man wird sehen, was die nächsten Monate bringen – vielleicht nutzt Netanyahu ja die Gunst der Stunde und eröffnet Friedensgespräche mit Syrien, das wäre das klügste, was er jetzt tun könnte.

M***: …an den Mullahs hängen u.a Hamas und Hisbollah. Wenn die Unterstützung weg fällt, wäre das für Netanjahu ein schlimmer Tag. Er wäre gezwungen von seiner rassistischen und frevelhaften Politik abzuweichen und könnte von Obama zum Frieden gezwungen werden. Glaub mir, wenn Ahmadinedschad fällt, dann fällt auch Nasrallah.

S***: Jeder Spielt seinen Pion, wer den Zug vorher ahnt hat vorgesorgt, wer nicht muss sich in acht nehmen. Dieses Spiel in Iran wurde schon vor Jahren gespielt, jetzt wiederholt sich die sache, nur jetzt wurden die Zügeln in andere Hände gegeben. Ich bin mir sicher das in diese Region nur ruhe Herschen wird wenn andere Ihre Finger von dieser Region lassen.

M***: Bei den Demonstrationen geht es ja um Fragen wie: Wo ist meine Stimme. Es geht um das Menschenrecht auf freie Wahlen und die Möglichkeit, demonstrieren zu können ohne gehindert, verletzt oder gar umgebracht zu werden. und die eigene Geschichte hat mir bewusst gemacht, wie wichtig das ist. Ich glaube, niemand ist so naiv zu denken, dass sich im Iran grundsetzlich etwas ändert. Aber selbst die berühmten kleinen Tropfen auf dem heißen Stein werden mal zu einem Fluß. Die ” Iran-Euphorie” ist eigentlich, so denke ich, vor allem ein Zeichen der Solidarität mit den Leuten auf der Straße. Man muss sich schon sehr stark Reformen wünschen um unter diesen Umständen noch auf die Straße zu gehen, ich kann nur hoffen, den gleichen Mut zu haben.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia

die rektionen helfen mir, eure gründe für die solidarität zu verstehen und selbstverständlich teile ich diese. die bilder sind erschreckend und sind kaum auszuhalten. sie sind ein guter beweis dafür, dass es sich im iran nur um eine pseudodemokratie handelt, die sofort zuschlägt, sobald sie die kontrolle zu verlieren scheint. wie viele andere glaube ich auch, dass eine veränderung NUR aus dem system heraus kommen kann. wer auch immer veränderungen will, muss verbündete in den bestehenden strukturen haben, die ihn stützen und ggf. die lage beruhigen.

beunruhigend war für mich aber eine analyse, in den gestrigen tagesthemen , die einen blick auf die “verbündeten” von mussawi freigab: “einige großajatollahs wollen wieder mehr macht; weg von der zentralen machtposition des präsidenten”. mussawi könnte daher wirklich nur eine spielfigur im schachspiel einiger älterer männer sein und meine angst besteht weiterhin vor einer zunehmenden islamischen fundamentalisierung. der preis für die revolution könnte genau dies sein.

ich bin zu weit weg und kenne mich zu wenig aus, um wirklich die lage auch nur annähernd einschätzen zu können. vom bauchgefühl her kann ich aber sagen, dass meine erwartungen nicht groß sind.

*** NACHTRAG *** – Weitere Reaktionen von meiner Facebook-Seite:

N***: oh mann!! den demonstranten geht es doch nicht um Mousawi! sondern um den Sturtz des Regiemes!! darum gibt es diese Euphorie! wenn das gelingt ändert dies schlagartig die Situation nicht nur im Iran, sondern im gesamten Nahen Osten!. Wer -außer den westlischen Medien – spricht denn von Mousawi? der wäre ja nur ne zweite Marionette des Regimes! das ganze wollen sie weg haben. der kleiner azzari der gerade herumspukt, ist doch nichts anderes als ein regime-kasperl. seit 1979 terrorisieren die Mullahs die Bevölkerung, wie die deppen nun heißen ist doch einerlei..

J***: ich bin mir ziemlich sicher, daß es den Leuten auch um Moussavi geht. Als Anlaß und als Führungsfigur. Wenn Moussavi überlebt und sich tatsächlich was ändert, wird er eine wichtige Rolle spielen. Ob er aus seiner Rolle als Revolutionär dann noch heraus kann, ist eine andere Sache. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, daß sich das System von innen heraus transformieren und erneuern wird, erste Anzeichen dazu sind da. Eine säkulare Demokratie wird Iran sicher nicht werden – ob das von der Bevölkerung gewünscht ist, halte ich auch für sehr zweifelhaft. Und – meiner beschiedenen Meinung nach – ist das auch nicht notwendig.

J***: Mousawi will keine grundsätzliche Änderung. Er wurde gegen seinen Willen zu einer Symbolfigur einer Demokratiebewegung, die er so nicht haben wollte und diese Bewegung will zwischenzeitlich mehr, als nur eine Neuauszählung der Stimmen.

The role of the rabbi

Zur Zeit habe ich leider sehr wenig Zeit, um hier länger zu schreiben. Gerne würde ich Euch von den beiden Konferenzen berichten, die ich in der vergangenen Woche in Jerusalem besucht habe, aber, da das Semester in fünf Wochen beendet sein wird, rufen viele Hausarbeiten und Papers, die noch geschrieben werden müssen und diverse Prüfungen, für die ich lernen möchte. Ganz will ich mich aber nicht ausblenden und werde weiterhin das eine oder andere hier posten. Und der Bericht über Jerusalem kommt auch noch.

Die Fragestellung, welche Rolle ein Rabbiner / eine Rabbinerin einnehmen sollte, habe ich schon mehrfach hier im Blog angerissen, Chajm auf Sprachkasse.de ebenfalls und bei Yoav war auch vor kurzem etwas dazu veröffentlicht. Heute gab es zwei Beiträge auf Eilu V’eilu, einem wöchentlichen Online-Unterrichts-Newsletter der Union for Reform Judaism.

Hier Beitrag 1:

What is the role of the rabbi in our congregations today?

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Juden in der Bundeswehr

Soldaten---Pro-Contra

Jüdische Allgemeine, Ausg. 21/2009 S. 11

vor knapp zwei wochen war in der jüdischen allgemeinen ein pro und contra zu der frage, ob jüdinnen und juden in der bundeswehr dienen sollten oder eben nicht. [hier nachzulesen]

ich habe schon mehrfach darüber nachgedacht. nicht nur, weil der direktor unseres kollegs ein recht aktiver reserveoffizier der bundeswehr ist und man ihn ab und an in uniform am kolleg antreffen kann, sondern weil sie, die bundeswehr, teil der deutschen umwelt ist, in der ich lebe. die bundeswehr spielt in vielen tages- und grundsatzpolitischen disskussionen eine wichtige rolle.

wie religiös kann man als nicht-christ innerhalb der bundeswehr leben?

bevor ich mich der inhaltlichen frage zuwende,will ich erst einmal einen kleinen schritt nach hinten machen, um einen überblick über die technischen fragen zu bekommen, die eine volle bundeswehrbeteiligung von jüdinnen und juden m. E. determinieren. ich war erfreut in den beiden stellungnahmen zu lesen, dass koscheres essen für juden zur verfügung steht, dass shabbat dienstfrei ist und, dass die feiertage als urlaubstage genommen werden können. dies sind drei von vielen grundvoraussetzungen, die meiner meinung nach einfach gegeben sein müssen. nicht das ich glaube, dass es viele gibt, die shomer kashrut/shabbat sind und zur bundeswehr wollen, aber (!) es wäre doch schade, würde eine solche beteiligung an diesen, eher logistischen, fragen scheitern.

ein freund, der bei der bundeswehr gedient hat, berichtete mir noch von zeiten, in denen dies alles nicht so war. die anfrage nach einer “spirituellen begleitung” wurde damit beantwortet, dass man sich ja an den katholischen militär-kaplan wenden könne. das argument, es gebe zu wenige jüdinnen und juden in der bundeswehr, um einen militärrabbiner einstellen zu können, ist meiner meinung nach ein verkehrter zirkelschluss. es könnte mehr jüdische rekruten geben, wenn es rabbiner in der armee gäbe.

kosheres essen und die einhaltung von feiertagen ist wichtig, aber ich bin noch nicht ganz überzeugt, ob die bundewsehranweisungen in ihrer gesamtheit einmal komplett auf ihre tauglichkeit für jüdische angehörige der bundeswehr durchgegangen wurden. innermilitärische schulungen wünsche ich mir ebenfalls. eine antwort, man könne doch zum katholischen geistlichen gehen, spricht weniger für ein versagen einer diensttordung, als für unwissen. judentum ist erstaunlicher weise keine nebenform des christentums.  ganz nebenbei: diese forderung kann sicher 1:1 von muslimen unterschrieben werden, wahrscheinlich ist der aufklärungsbedarf und der bedarf an geistlicher betreuung um einiges höher.

kind der “generation friedensbewegung”

nun wieder ein schritt vorwärts, rein in die eigentliche fragestellung. um keine missverständnisse aufkommen zu lassen. die schaffung “technischer voraussetzungen” beantwortet noch lange nicht, ob ich mir einen dienst von juden in der bundeswehr vorstellen kann, oder nicht. als kind der “generation friedensbewegung” bin ich in erster linie pazifist. als deutscher lebe ich in einem land, in dem ich mich sehr sicher fühle. ich glaube nicht an eine bedrohung, der eine klassische armee entgegentreten könnte. (nebenbei: ich spreche mich nicht grundsätzlich gegen armeen aus. israels armee ist ein gutes beispiel für eine landesverteidigung, deren notwendigkeit absolut gegeben ist; eine bedrohung wie sie israel, gibt es in deutschland jedoch nicht.)

der bedrohungen, der wir mehr oder weniger stark hier in deutschland ausgesetzt sind (terror), kann und darf nicht durch eine armee entgegnet werden. unsere geschichte ist ein denkmal dafür, dass polizeiaufgaben durch die polizei wahrgenommen werden muss. die gewaltenteilung muss klar bleiben und ich bin davon überzeugt, dass die derzeitige zuschreibungen der ausübung von gewalt gut so ist, wie sie ist.

mit diesen zwei weiteren vorbemerkungen sind wir bei der eigentlichen fragestellung: welche aufgabe hat die bundeswehr/ bzw. sollte sie haben? und ist es sinnvoll/ angemessen/ möglich /…, dass juden sich an den aufgaben beteiligen? bevor wir die zweite frage auch nur ansatzweise mit ja beantwortet werden kann, sei dies ganz klar gesagt: ohne, dass sich jüdinnen und juden (aus deutschland) an der debatte über die aufgaben der bundeswehr beteiligen, ist eine aktive teilnahme am dienst der bundeswehr von vornherein nicht angebracht und möglich. alle gesellschaftlichen gruppierungen in deutschland haben nicht nur das recht, sondern auch die pflicht, sich an dem gesellschaftlichen diskurs um die ausgestaltung der aufgaben der bundeswehr zu beteiligen.

eine frage des gewissens

wenn uns also ein junger mann, der den einberufungsbefehl erhalten hat, fragt, was er tun soll, dann müssen wir uns überlegen, ob wir ihn guten gewissens in diese bundeswehr gehen lassen können, oder nicht. wie stehen wir zu der frage, ob die bundeswehr in afganistan aufgaben übernehmen soll oder nicht, was ist mit somalia, was ist mit grenzsicherungen?

die bundeswehr als teil eines internationalen, friedenssichernden verbandes ist etwas, an das ich glaube. wenn deutsche soldaten den aufbau von schulen, polizeistationen, krankenhäusern usw. schützt, bis dies durch lokale sicherheitskräfte übernommen werden kann, dann entspricht dies meiner vorstellung einer aufgabenstellung. der debatte, ob der afganistan-krieg, als auslöser des derzeitigen einsatzes, sinnvoll war oder nicht, kann und will ich mich an dieser stelle nicht stellen, da sie im moment zu weit führen würde, aber dauerhaft entziehen kann und will ich mich ihr nicht. in diesem moment

ich stehe auch einem einsatz der bundeswehr an den grenzen israels nicht entgegen. wenn es zu einem friedensplan zwischen dem staat israel und den palästinensern kommen sollte, dann könnten deutsche blauhelme die grenzen sichern. die jüngste, demokratische geschichte der deutschen armee überzeugt mich, dass ein solcher einsatz  möglich sein kann und vielleicht auch muss. es gibt durchaus legitime forderungen, die besagen, dass ein solcher einsatz auch dann gerechtfertigt sei, wenn kein einziger jude, wenn keine einzige jüdin dienst in der bundeswehrt leisten würde. so sagt z.B. amos oz, dass die bundesrepublik eine moralische verpflichtung hat, israel auch militärisch zu schützen. (Israel und Deutschland: Vierzig Jahre nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen , Suhrkamp Verlag 2005)

zusammenfassend: die frage, ob ein junger man, oder eine frau, zur bundeswehr geht oder nicht, ist meines erachtens keine halachische (zumindest darf sie das nicht sein, wenn die rahmenbedingungen gegeben sind), sondern eine des gewissens, so wie für jeden anderen bundesbürger auch. wir als jüdische gemeinschaft sollten diesen entscheidungsprozess konstruktiv begleitet. und dabei sollte es keine tabus geben. die frage, ob jüdinnen und juden in der bundeswehr dienen sollten/sollen, ist legitim und genauso wichtig und legitim ist die frage, wie weit sich die bundeswehr ihrer eigenen vergangenheit gestellt hat? fragen, denen wir uns vielleicht in einer diskussion (auf dieser site) nähern können ?!

pro religion ?!

heute dürfen wir berliner entscheiden, ob wir für oder gegen eine änderung des bestehenden unterrichtskanons sind. es geht weder um mathematik, noch um computerkurse, nicht um biothechnik oder berufsvorbereitende kurse, sondern um etwas, dass in meiner schulzeit eher unwichtig war (entweder wurde es auf grund von lehrermangel ganz gestrichen (ethik) oder es war einfach ein fach um eine gute note für nichts-tun abstauben zu können(religion)).

religion oder ethik? die einstellung, die viele gegenüber den beiden fächern hegen, nämlich dass diese unwichtig seien, oder nicht wirklich auf ein leben als erwachsener vorbereiten teile ich absolut nicht. auch wenn ich volksentscheide und die damit verbundenen, populistisch ausgerichteten bündnisse eher skeptzisch betrachte, kann ich diesem doch einiges abgewinnen: religion und ethik gehören in die öffentliche diskussion und dies ist zumindest für eine kurze zeit gelungen.

beide begriffe umschreiben etwas, dass ich für den kern unserer zivilgesellschaft halte und viel zu selten öffentlich thematisiert wird. vielleicht ist das unethische verhalten einiger top-manager und banker ja eine folge der mangelhaften schulbildung die sie genossen haben. vielleicht kann durch eine breite debatte um die werte unserer gesellschaft ein stück zukunfstperspektive denen zurückgeben, die sie verloren haben, weil gemeinsame werte auch gemeinschaft und solidarität an sich tragen? vielleicht lässt sich durch eine gemeinschaftliche diskussion um das, was uns wichtig ist, die frage beantworten, wie sich eine gesellschaft, die wie unsere durch so viele unterscheidliche einflüsse geprägt ist und wird, dauerhaft (und) friedlich entwickeln kann.

das diskutieren dessen, was ich für die grundlage unseres zusammenlebens halte, muss aber erlernt werden. natürlich spreche ich niemandem ab, nicht eine eigene position zu haben und diese nbicht auch äußern zu können, aber der dialog, der gegenseitige respekt und die rahmen, innerhalb derer der diskurs stattfinden kann, braucht den unterricht, um den immer wieder gerungen wird. weder religiöse gemeinschaften, noch eltern alleine, können dies alleine. der staat muss ein interesse daran haben, seine bürger diesen rahmen vorzugeben.

als religiöser mensch ist mir ein religiös geprägter zugang zu dieser debatte wichtig. dass dieser staatliche rahmen religion einbeziehen muss, steht für mich außer frage. jedoch bin ich genauso davon überzeugt, dass er nicht ausschließlich durch eine religion geprägt sein darf. die ethik unserer gesellschaft bestimmt sich nicht nur aus einer perspektive und sie kann nur offen sein, wenn sie ein pluralistisches fundament bereits in der ausbildung erhält.

wahlfreiheit, wie sie das bündnis “pro reli” fordert, ergibt sich manchmal nicht, wenn man sich einfach nur für einen weg entscheiden kann. wahlfreiheit braucht das wissen um die möglichkeiten, das vergleichen der optionen und vor allem, den respekt vor dem anderen. niemand nimmt den religionsgemeinschaften, attraktiven zusätzlichen unterricht in ihren institutionen anzubieten, den ethik unterricht der schulen zu begleiten, eigene begegnungen zwischen den religionen anzubieten usw. aber die basis, für alle schülerinnen und schüler können sie nicht bieten.

einige andere blogartikel aus unserem webring hier:
Jüdisches Berlin
Yoav Sapir

update: das ergebnis der abstimmung auf rbb

rückblick – eine glosse zum wochenende

die medienarbeit der katholischen kirche ist weiterhin bedauernswert schlecht. ich kann mich nicht dem eigenen gedankenspielen entziehen, dass hier eine große verschwörung im gange ist. nur eines wird mir dabei nicht klar: welche rolle spielen wir juden darin?

nach einer woche medientraining bin ich zwar noch kein experte, aber ich meine zu erkennen, dass man auf seiten der papst-liga zur zeit jedes mediale fettnäpfchen in angriff nimmt, dass sich einem auftut. möglichst viele linke (katholiken) vergraulen, damit man rechts voranschreiten kann, könnte natürlich auch ein ziel sein. dass der papst wieder gegen kondome wettert ist für mich unbegreiflich. welcher schutz von leben kann mit einer solchen aussage noch gemeint sein. seine äußerungen sind genauso unverantwortlich wie die junger menschen, die meinen, auf kondome könne man verzichten, da HIV ja mit medikamenten kontrolliert werden könne.

sicher, kondome sind kein allheilmittel und die welt als ganzes muss nach möglichkeiten suchen, HIV und damit auch AIDS zu besiegen, aber, ein verantwortungsbewusster umgang mit dem thema sexualität und keine tabus, ist und bleibt die basis, auf der überhaupt erst ein schritt raus aus der krise unternommen werden kann. die haltung aus rom ist meines erachtens menschenverachtend und zeigt, dass die wahl ratzingers leider eine falsche war.

mit der frage der pius-brunderschaft wurde ich ebenfalls wieder in wien konfrontiert. ein interview mit Bernard Fellay, generaloberer der pius-brüder in der wochenzeitschrift profil zeigt, dass die ausgestreckte hand des papstes inzwischen staub und spinnweben angesetzt haben muss. es wird wohl eher kein entgegenkommen geben. und nachdem klar ist, dass juden nur das stroh waren, um das eigentliche feuer zur vernichtung aller katholiken in den öfen der nazis anzufachen, hat die piusbruderschaft das letzte rätsel der shoah aufgedeckt. her mit dem schlussstrich.

da passt auch der vorstoß kardinal meisners hinein, der weiterhin eine entschuldigung der kanzlerin erwartet. die öffentliche “papstmäkelei”  würde uns, so die argumentation meisners, in aller welt lächerlich machen. ups. entschuldigung. aber könnte es nicht so sein, dass die klaren worte der bundeskanzlerin eher umgekehrt bewertet werden müssten. deutschland ist kein platz für holocaust-leugner, die kirchen sind kein platz für holocaust-leugner. mir erscheint das nicht lächerlich, aber ich bin ja auch nur ein zaungast.

shabbat shalom

(vorherige artikel zu dem thema hier und hier)

Tipp: „G'tt und die Medien“

Im Rahmen der unserer Schulung organisiert die Katholische Medien Akademie am Montag, 30. März /18.00 Uhr eine Diskussionsveranstaltung im Wiener „Haus der Industrie“. Unter dem Titel „G’tt und die Medien“ diskutieren Rabbiner Prof. Walter Homolka, Leiter des „Abraham Geiger Kollegs“, Prof. Michael Bünker, Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich und Amena Shakir, Dozentin für Islamische Religionspädagogik. Weitere Diskutanten sind Christian Rainer, Herausgeber des „Profils“ sowie Gabriele Neuwirth, Vorsitzende des Verbands katholischer Publizisten Österreichs. Prof. Heinz Nußbaumer, Herausgeber der „Furche“, moderiert die Veranstaltung.

Achtung Terrorgefahr

ich musste also 36 jahre alt werden, um zu erfahren, dass ich und chayim eine potentielle gefahr für deutschland darstellen und daher durch einen dahergelaufene glatze belästigt werden dürfen.

okay, der reihe nach. gestern waren wir in leipzig auf der buchmesse und eigentlich sollte der artikel heute von unseren erlebnissen und begegnungen dort berichten. stattdessen wird dieser kleine eintrag nun eine art fortsetzung zu meinem kommentar, den ich zu meinem posting “You don’t look Jewish” veröffentlicht hatte. dort ist zu lesen, dass muslime sicher des öfteren als potentielle terroristen abgestempelt werden und entsprechend mit den daraus resultierenden anfeinungen zu kämpfen haben und sicher einige meiner leserInnen dies bestätigen können. Continue reading

Ein Fall für die Öffentlichkeit – die Affäre Williamson

aus den beiden interviews ([hier] und [hier]) ist ersichtlich, dass der fall Richard Williamson ein ständiger begleiter meiner rom-reise war. und nicht nur, weil ich als rabbinerstudent mit dabei war und man sich gemüßigt gefühlt hätte, stellung zu beziehen. sondern im gegenteil: mein eindruck ist, dass es vor allem den katholischen teilnehmerInnen der studienfahrt wichtig war, aus dem zentrum der katholischen kirche eine stellungnahme zu dem jüngsten entscheidungen ihrer kirche zu erhalten.

Die Einheit der Kirche geht vor Diplomatie

Die Einheit der Kirche geht vor Diplomatie

natülich bewerte ich das bestreben der katholischen kirche, traditionalisten zurück in ihre gemeinschaft zu holen, als nicht wirklich sensibel gegenüber “uns juden” (immerhin habe ich etwas dagegen, wenn mission an juden öffentlich propagiert wird und wir juden als jesus-mörder weiter diffamiert werden), aber im grunde ist dies kirchenpolitik, die ich als gläubiger einer anderen religion nicht zu kommentieren habe. wenn die kirche, wie derzeit unter dem pontifikat von benedikt, weiter eine konservative ausrichtung  ‘hin zum “fundamentalismus”‘ betreibt, ist dies ihre sache und die ihrer anhänger (die änderung der karfreitags-fürbitte hat mich als jude viel stärker verletzt und hat wesentlich tiefere wunden in das jüdisch-christliche vertrauensverhältnis gerissen).

wie gesagt, letztlich müssen die gläubigen der katholischen kirche entscheiden, ob sie dem weg hin zu einer “katholischen orthodoxie” folgen wollen, oder nicht. jede religiöse intstitution, zumindest die, die anspruch auf moralische autorität erhebt, lebt letztendlich von denen, die sich ihr als gemeinschaft anschließen. und daher liegt der verdacht, dass der hintergrund der ausgestreckte hand in richtung der pius brüder nur ein prüfstein für die innerkirchliche flexibilität, bzw. biegsamkeit sein sollte, fast schon auf der hand.

pech nur, dass die entscheidungsträger der kurie für diesen belastungstest daneben gegriffen haben und ausgerechnet die abweichler am schopf gepackt haben, die nicht nur den innerkirchlichen konsenz in frage stellen, sondern auch diamentral zum europäisch-pluralistischen-demokratieverständnis stehen und somit zur belastungsprobe auch nach außen hin wurden.

meines erachtens ist richard williamson nur die grau-braune spitze eines eisberges, der durch tief braunes wasser dümpelt. er hat ausgesprochen, was konsenz in ultra-rechten kirchenkreisen sein dürfte. (ein blick auf kreuz.net zeigt ein paar nette weitere stilblüten.) seine äußerungen runden – sagen wir mal auf besonders geschmacklose art und weise – ab, was an menschenverachtenden gedankengut in den stuben der pius-klan-brüder gepredigt wird: von der herabwürdigung des islams, in dem der islamische prophet mohammad als kinderschänder beschimpft wird, über verschwöhrungstheorien, die eine unterwanderung deutschlands durch den islam, in form von einer erneuten türkischen eroberung europas, sehen, bis eben hin zu der leugnungsthese, dass die shoa nicht stattgefunden haben soll. [hier]

Die Affäre Williamson ist nur eine der typischen Aufgeregtheiten aus Deutschland

"Die Affäre Williamson ist nur eine der typischen Aufgeregtheiten aus Deutschland"

dass solche äußerungen mehr nur als ein entsetztes räuspern des zentralrates der juden in deutschland erwirken (was dem vatikan mehr oder weniger egal gewesen sein dürfte), sondern, im wahrsten sinne des wortes, eine staatsaffäre heraufbeschwören würden, war für besagte kurienpolitiker wohl ein nicht beabsichtigter unfall. für mich ist dies aber in vielerlei hinsicht ein gutes zeichen:

(die) kirche steht nicht in einem gesellschaftspolitisch luftleeren raum, in dem sie agieren kann, wie sie will. die gesellschaft nimmt anteil an dem, was im inneren jeder großen institution vor sich geht und wer diese gesellschaft ist, bestimmt (glücklicherweise) nicht die institution selbst. wenn also (die protestantin) angela merkel die ihr zugewählte aufgabe wahrnimmt, dann politisch einzugreifen, wenn der gesellschaftliche grundkonsenz durch eine gruppe innerhalb dieses gefüges in frage gestellt wird, dann tut sie recht so. dass einige kurienkardinäle dies als aufgeregtheit in deutschland und einmischung in innerkirchliche angelegenheiten abtun, ist meiner meinung nach ein falscher umgang mit kritik – und dazu ein äußerst schlechter.

der papst mag vielleicht die eine oder andere position der pius-brüder teilen (z.b. in liturgiefragen, oder die mission von juden u.d.g.), aber, dass er die neo-nazi-thesen teilt, halte ich für abwegig. problematisch ist aber, dass er nicht von beginn an eine “klare und deutliche” position gegen den braunen dreck eingenommen hat, sondern sich erst hat bitten lassen müssen. wenn ich etwas in meiner woche in rom gelernt habe, dann, dass die römisch-katholische kirche in ihrer lehrmeinung absolut auf den papst ausgerichtet ist (abweichler haben echt ein problem). gerade deshalb wäre es in genau dieser absolutheit notwendig gewesen, eine sofortige stellungnahme vom “vorstandsvorsitzenden” zu erhalten und nicht nur von seinen regionalen repräsentanten.

Die Meinung dieser Demonstranten auf einer Anti-Vatikan-Demo in Rom teile ich definitiv nicht, aber solche Vergleiche hätten durch ein offenes und klares Eintreten gegen Antisemitismus und für Menschenwürde bereits im Keim erstickt werden können.

Die Meinung dieser Demonstranten auf einer Anti-Vatikan-Demo in Rom teile ich definitiv nicht, aber solche Vergleiche hätten durch ein offenes und klares Eintreten gegen Antisemitismus und für Menschenwürde bereits im Keim erstickt werden können.

entgegenungen, wie die folgende: “offentsichtliches muss man doch nicht noch promulgieren”, wie die eines engagierter vertreter der kurie, sind natürlich grundweg falsch. wenn man möchte, dass offensichtliches offen sichtbar bleibt, dann muss man es auch der öffentlichkeit vorlegen.. andernfalls wird es zu einem öffentlichen geheimnis und gibt anlass zu spekulationen, wenn es nicht gar in vergessenheit gerät. gerade die “hüter” von moral und glauben, sollten dies wissen.

wenn ich also an dem vorgehen der katholischen kirche kritik übe, dann in erster linie dahingehend, dass die kirche ein bild aufgezeichnet hat, welches höchst problematischen personen eine niesche innerhalb ihres gefüges einräumt. problematisch wird dies, weil sich die römisch-katholische-kirche sich per eigendefinition auch als moralisches vorbild für die gesamtgesellschaft sieht, und damit im übertragenen sinne legitimation für neo- und altnazis auch in der gesamtgesellschaft schafft. und, dass dies in keinem fall zutreffend ist, hat die deutsche (medien)öffentlichkeit dankenswerter weise erkannt und zu recht zu einem aktuellen diskussionsthema gemacht.

zwischenruf zur waffenruhe

als ich den artikel angefangen habe, war die lage in gaza noch eine andere, der krieg war noch nicht durch die waffenruhe unterbrochen. die frage, wie ich als religiöser jude, zionist, humanist und pazifist mit diesem, wie mit jedem anderen krieg umgehen soll und kann, hat mich wirklich umgetrieben und eine antwort ist weiterhin nicht einfach zu geben.

das schweigen der waffen offenbart – zum glück – jedoch wieder den blick auf die zukunft und befreit uns hoffentlich aus den ketten der gewaltspirale. wünschenwert ist und wäre, wenn nun alle, die für israel und palästina auf die straßen gegangen sind, jetzt auch den friedensprozess unterstützend begleiten. wenn statt der feindschaft, die entstanden ist, die bereitschaft erwächst, aufeinander zuzugehen, wäre ein großer schritt für ein wirkliches miteinander geschafft. und bitte: auch hier in deutschland. der dialog zwischen den religionen muss weitergehen. wir müssen und sollten hier zusammen leben können, denn eine zweistaatenlösung gibt es hier nicht und wäre ein fatales signal an unsere umwelt.

*** im moment bin ich leider sehr durch arbeiten an der uni und am kolleg eingebunden, so dass ich kaum dazu komme, hier etwas zu schreiben. trotzdem versuche ich ab und an durch “zwischenrufe” mich zu melden.

*** ich suche noch weiterhin materialien zum thema “Shoah und Nationalsozialismus im Unterricht” – hier geht es zum artikel ->

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