Ja, das war es. Ein (akademisches) Jahr ist rum. Gestern hat die Jeshiva ihre Türen geschlossen. Jetzt bin ich dort kein Student mehr, sondern ein Ehemaliger, ein Alumni. Ein komisches Gefühl.
In meinem Blog habe ich vor kurzem einen längeren Beitrag über die Yeshiva geschrieben und eine Bilanz in Sachen Lernen gezogen, heute will ich eine erste Bilanz über meine Zeit hier ziehen. Ich bin zwar noch 21 Tage in der Stadt, aber die werden von Ulpan, Buchsuche, Schreiben einer Hausarbeit und dem Zionistischen Weltkongress geprägt sein, so dass ich über die meine Eindrücke lieber jetzt schreiben möchte, so lange sie noch so schön lebendig sind.
Als ich im vergangenen Jahr meine Koffer gepackt habe, um 10 Monate in Israel zu studieren war dies auch von einer gewissen Vorfreude geprägt, mal aus dem Alltagstrott auszusteigen. Mal ein anderes Lernen zu erleben, neue Eindrücke sammeln zu können, etwas verrücktes machen zu können, was so vielleicht nicht mehr stattfinden kann, für den Rest meines Lebens? Es gab aber auch eine gewisse Angst vor Einsamkeit, schließlich standen 10 Monate ohne meine Familie und Freunde an.
Meine Hoffnung war es, tiefer in jüdisches Leben eintauchen zu können, mehr Spiritualität erleben zu können, mehr Jüdischkeit in mein Leben integrieren zu können. Die Bilanz hierzu sieht wie folgt aus: Ja, meine Zeit hier war geprägt von den Hunderten von Möglichkeiten, die diese Stadt einem in Sachen jüdisches Leben bietet. Ich habe z.B. viele Synagogen von Innen gesehen, G’ttesdienste erlebt, die spirituell, oder langweilig, festlich, oder einfach nur technisch, kurz oder ewig lang usw. Ich habe mir oft nach einem G’ttesdienst überlegt, was ich davon mit nach Hause nehmen könne, oder, wenn eine tolle Melodie für ein Gebet gesungen wurde, wie ich diese mir merken könne, um sie später selbst zu benutzen. Letztendlich habe ich so viele Eindrücke gesammelt, dass diese wild in meinem Kopf umherschwirren und ich einfach nur hoffe kann, dass diese später, zum richtigen Zeitpunkt wieder heraussprudeln werden (ich bin da ganz optimistisch). Was ich aber nicht gefunden habe, war eine spirituelle Heimat. Ich habe keine Synagoge in Jerusalem, von der ich behaupten könne,
dass ich hier meinen Stuhl gefunden hätte, zu dem ich gerne, nach meiner Synagogenhopping-Phase zurückkehren wollen würde. Das mag entweder daran liegen, dass ich trotz meiner vielen Versuche nur einen Bruchteil der Möglichkeiten in Jerusalem kennen gelernt habe, oder dass ich mich nicht wirklich auf eine Synagoge eingelassen habe.
Jüdisches Leben ist hier natürlich viel mehr zu einem Teil meines Alltags geworden, als es vorher der Fall war. Ich habe die Möglichkeit genossen, meinen täglichen Minjan zu haben, zu Mincha oder Ma’ariv (Mittag und Abendgebet) einfach in eine Synagoge zu gehen oder mit Freunden zu beten. Ich genieße, dass der jüdische Kalender hier die Zeit vorgibt, auch wenn ich den Sonntag als meinen Büro und “ich muss noch was erledigen” Tag vermisse. Es ist etwas besonderes, wenn man wirklich ZEIT für die Feiertage hat. Es ist schön zu beobachten, wie am Shabbat tatsächlich das Leben um einen herum zu einer gewissen Ruhe kommt. Ich hoffe, vieles von dem mit nach Berlin mitnehmen zu können. Meinen eigenen Alltag mehr an meinen jetzigen Erfahrungen ausrichten zu können, als es vorher der Fall war. Wir werden sehen.
Dank Skype bin ich nicht ganz vereinsamt, die Internettechnologie hat geholfen, dass ich mich weiterhin fest verbunden gefühlt habe und vor allem über Facebook blieb ein gewissen Kontakt zu meinen Freunden in Berlin. Ich muss aber sagen, dass aus den Augen aus dem Sinn tatsächlich nicht nur ein Sprichwort ist. Allen Beteuerungen zum Trotz haben viele meiner Berliner Kontakte kaum Kontakt gehalten, was gerade im Anfang für mich nicht so einfach war. Soziale Netze brauchen Zeit, um sich aufzubauen und die alten können über diesen Umstand ein wenig hinweghelfen, auch wenn es “nur” noch virtuelle Kontaktaufnahmen sind. Etwas, das ich gelernt habe und von dem ich hoffe, dass ich im Bedarfsfall es besser mache.
Ein guter Testfall werden meine vielen neuen Freunde sein, mit denen ich hier an der Jeshiva lernen konnte. Einige haben mich nachhaltig Beeindruckt. In ihrer Spiritualität, mit ihrem jüdischen Wissen, mit ihrer Selbstverständlichkeit einfach nur gute Menschen zu sein, mit ihrer Freundlichkeit, ihrem Lachen, ihrem Weinen, oft einfach nur damit, dass sie einfach nur da waren und damit mein Leben bereichert haben.
Herausstellen möchte ich gerne Arlene, meine Chevruta-Partnerin für Talmud, die mit unglaublicher Geduld unser gemeinsames Studium zu einem Glanzpunkt meiner Zeit hier gebracht hat, Eliora, die gerade in den letzten Monaten zu einer sehr guten Freunding für mich geworden ist, Anne, mit der ich nur ein Kurs zusammen hatte, die mich aber durch die Tiefe ihrer Spiritualität unglaublich beeindruckt hat, dass ich kaum ausdrücken kann, wie dankbar ich ihr dafür bin. Wenn Ihr den drei Damen begegnet, werdet Ihr sicher genauso in deren Bann gezogen werden, wie ich es wurde.
Es gibt noch so viel zu schreiben, aber 800 Worte sollen für dieses Mal genug sein.