In der Märkischen Allgemeinen wurde über meinen Besuch in Rom auch berichtet. Der Bericht ist hier abgedruckt und nachfolgend zum nachlesen (Bericht vom 26.2.2009 von Rüdiger Braun):
Adrian Michael Schell tat sich sechs Tage lang in der Kurie um / Verhaltene Kritik, aber auch Verständnis für Benedikt XVI. im Fall Williamson
POTSDAM – Begegnungen zwischen Juden und der katholischen Kirche sind seit der Diskussion um die Wiederaufnahme des Holocaust-Leugners Richard Williamson in die Kirche nicht leichter geworden. Dass sie dennoch gelingen können, weiß Adrian Michael Schell. Der Potsdamer Rabbinerstudent hat zusammen mit einigen Kommilitonen in der zweiten Februarwoche den Vatikan besucht. Das umfangreiche Programm war als Seminar am Potsdamer Abraham-Geiger-Kolleg angeboten worden. Dort lässt sich Schell seit 2006 zum Rabbiner ausbilden.
Andere Religionen kennenzulernen, hält Schell für sehr wichtig. „Mir ist klar, dass ich in Deutschland Rabbiner sein möchte“, sagt der 35-jährige gelernte Buchhändler, der im Rahmen seiner Ausbildung auch Religionswissenschaften an der Universität Potsdam studiert. Später werde er damit in einer Umgebung arbeiten, die stark von nichtjüdischen Religionen geprägt sei. Daher zögerte Schell keinen Moment, als er die Reise zur Kurie im Vorlesungsverzeichnis des Geiger Kollegs sah.
„Ich habe tatsächlich viel über die Struktur der katholischen Kirche gelernt“, sagt er. Erst in Gesprächen mit prominenten Kirchenvertretern wie dem Kurienkardinal Walter Kasper sei ihm zum Beispiel der enorme Zentralismus der katholischen Kirche aufgegangen. „Mir wurde da erst bewusst, wie groß der Einfluss vom Rom ist“, sagt Schell. Das sei ein großer Unterschied zu den eher unabhängigen jüdischen Gemeinden. Einerseits sei das Funktionieren eines solchen Apparats beeindruckend, andererseits habe die Diskussion um Williamson auch gezeigt, wie verheerend es sei, wenn sich die Kirchenbürokratie nicht ausreichend abstimme.
„Das Thema Williamson war allgegenwärtig“, erzählt Schell, wobei er die Debatte um den britischen Bischof weniger als Jude, denn als Deutscher verfolgt habe. Bei seiner Begegnung mit der katholischen Kirche sei ihm erst klar geworden, wie wichtig es der Kirche gewesen sei, die Bischöfe der umstrittenen Piusbruderschaft wieder einzu-gliedern. „Die Kirche hat vor allem das Ziel vor Augen, dass es nur eine christliche Konfession gibt. Das war mir völlig neu“, so Schell.
Trotzdem sieht Schell das ungeschickte mediale Agieren des Papstes kritisch. Er hätte seiner Meinung nach von Anfang an deutlich machen müssen, dass antisemitische Tendenzen in der katholischen Kirche nicht geduldet würden. Zwar unterstelle niemand Benedikt Antisemitismus. Schließlich habe er im Mai 2006 auch Auschwitz besucht. „Aber manchmal muss man auch Dinge sagen, die offensichtlich sind.“ Der Papst hätte als moralische Instanz sicherstellen müssen, dass die Aufhebung der Exkommunikation nicht von rechten Kreisen vereinnahmt werden konnte. Das sei aber erst auf „Bitten und Drängen“ von außen, etwa durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), geschehen, bedauert Schell.
Jetzt hofft Schell, dass Benedikt XVI. bei seinem Israelbesuch, der für Mai geplant ist, die Scharte wieder auswetzt. „Wichtig ist, dass er eine ehrliche neutrale Haltung einnimmt und auf die israelische wie auch auf die palästinensische Seite zugehen kann.“
Der Entschluss, Rabbiner zu werden, reifte bei Schell erst ab 2000. Der gebürtige Frankfurter arbeitete in München als Buchhändler und engagierte sich damals bei der liberalen jüdischen Gemeinde. Dass sein Studienort Potsdam sein würde, war dagegen schnell klar. Das Abraham-Geiger-Kolleg sei auf die speziell deutsche Situation ausgerichtet und lehre beispielsweise, die oft aus vielen Kul-turkreisen stammenden Mitglieder deutscher Gemeinden mittels liturgischer Gesänge religiös zusammenführen. (Von Rüdiger Braun)
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