Category: Dialog (Page 1 of 4)

Today we weep – the day after Orlando

rose

The news on Sunday was shocking, confusing, and unspeakably tragic.

What in God’s name is happening in this, our world? Last week Tel Aviv, this Sunday Orlando, and next week …? There is so much pain.

In thousands of places all over the world Jews studied Torah last weekend. We engaged ourselves in those studies, because we have hoped to find a better understanding of how we can make this world a better place. We have engaged ourselves in Tikkun Olam, the reparation of the world, because we know and we see how much more needs to be done to see this world redeemed. Saturday night we spoke about the pain the death of a single person can cause, and how guilty we feel if we couldn’t help. But we accepted that death is part of our lives and that we can find comfort in our Jewish tradition and our surrounding community, if death happens within our closes circles.

But nothing can prepare us for those horrific, brutal and senseless attacks we had to witness in the past few days, months and years. The world, which I love so much, is broken, and the rifts seem to me un-bridgeable. How can we repair the world if a single person has been able to destroy the lives of so many, and to bring so much more hate into this world? How many more people need to study the values of the Torah to outbalance the bestial acts of those monsters?

Many, I know will answer this question with a sense of hopelessness, telling me that there aren’t enough good people in this world to tip the scale to the good. Helplessness tells us to surrender. But in doing so, we allow those monsters to take the victory home, and we give space to the demagogues who trample on the victims to boost themselves and their ideology of hate. The terror acts of the last few days don’t allow us to surrender, to the contrary, the victims of those crimes ask us to not give up hope and to stand up for our values.

We need to be the people of God that actively involve themselves in initiatives to end violence, especially violence against minorities. We need to be committed to the idea that being a Jew means nothing less than intentionally standing up, regardless of differences, when we see lives devalued or dehumanised by hate and ignorance. I believe with all my heart that doing so is a beautiful outworking of the Torah we claim to love and live.

We value all life and the dignity of others because we all bear God’s image. Our faith can never be a reason to turn away from each other, but it should be – it must be – the reason why we approach one another and try to make an impact, even though we don’t understand or approve. Our tradition calls us to nothing less!

Those terror acts call us to break down the walls of our own lethargy and to strengthen those who stand to protect us and our society. Judaism is not a religion of presenting the other cheek if we are attacked. To protect ourselves doesn’t mean to outcast others, it means to be aware that evil things happen and need to be stopped. When the allies started to re-create a civilised society in Germany after 1945 they used the term “fortified democracy” to introduce a system that doesn’t allow radicals to pervert democracy again. The main key is that every individual is responsible to protect this achievement. And so we are called today to protect our world from those radicals, from those haters of life, from those demagogues who try to ignite hate in us.

Today we weep with those who weep, and mourn with those who mourn, tomorrow we stand up to change the world.

 

„Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen“

„Sag mir ein Wort, irgendein Wort, und ich beweise Dir, dass es griechischen Ursprungs ist.“

So lautet einer der Running Gags aus dem Film „My big Fat Greek Wedding“. Gus Portakolos, der Patriarch der Familie der Braut ist davon überzeugt, dass für jedes Wort die Wurzel in der griechischen Sprache gefunden werden kann.

Im Falle einer Bezeichnung für das 5. Buch der Tora – Deuteronomium – hätte Gus Portakolos selbstverständlich Recht. – Aber Gus geht es nicht wirklich um die Richtigkeit seiner Wortabstammungslehre. Ihm liegt nur etwas an seiner griechischen Sprache und deren Beitrag für die weltweite Kultur. Er ist einfach stolz auf sein Griechenland.
Die Bezeichnung Deuteronomium leitet sich, wie gesagt, aus dem Griechischen ab. Das Wort Deuteronomos bedeutet so viel wie „eine zweite Schilderung der Gesetze“, oder“ zweites Gesetz“. Diese Bezeichnung entstammt der Septuaginta und basiert auf dem Tora-Zitat aus dem 5. Buch, Kapitel 17, Vers 18:

‏וְכָתַב לוֹ אֶת־מִשְׁנֵה הַתּוֹרָה הַזֹּאת‎ wə-chatav lo et mischne ha-Tora ha-sot Er soll ihm von dieser Lehre eine Wiederholung schreiben.

Und im Grunde ist es genau das, was Mosche im letzten Teil der Tora macht. Er wiederholt die Gesetze und Gebote und schildert die Ereignisse der letzten 40 Jahre.

Zwei Dinge sind für mich dabei wichtig:

In Bezug auf die Gebote und Gesetze erleben wir etwas sehr Bedeutendes. Es ist nicht mehr Gott, der die Gebote darlegt, es ist der Mensch Mosche, der sie auslegt und interpretiert. In der Tora wird somit die Grundlage für unser progressive Judentum gelegt: Mosche passt die Gebote, die er zuvor von Gott gehört hatte, durch Auslegung an die nächste Generation an. Realitäten, wie z.B. die während der Wüstenwanderung entstandenen neuen Gesellschaftsstrukturen zeichnen sich unter anderem sehr schön in der „zweiten Fassung“ des Dekalogs – der 10 Gebote – ab.

Das zweite, was wir im Buch Devarim – so der hebräische Name für das fünfte Buch der Tora – lesen, sind Mosches lange Schilderungen der Ereignisse seit dem Auszug aus Ägypten. Er, der Zeitzeuge, schildert der nächsten Generation, was geschehen ist. Er tut dies, obwohl die, die ihm zuhören, vermutlicher Weise einen großen Teil selbst miterlebt haben.

Der spanisch-amerikanische Philosoph George Santayana schrieb in seinem Buch The Life of Reason folgenden Satz:

„Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert,
ist verurteilt, sie zu wiederholen”

Doch lange bevor Santayana mit diesem Satz eines der wichtigsten moralischen Gesetze unserer Zeit formulierte, legten die Autoren des Buches Devarim, dies, als eine der Grundlagen im Judentum, für uns fest. Mosche hält die Reden nicht, weil er sich gerne selbst reden hört, oder weil er den Israeliten etwas Neues zu erzählen hat. Er spricht zu den Israeliten (und damit auch zu uns), damit sie und wir uns der Bedeutung der Ereignisse bewusst werden, die stattgefunden haben. Er erinnert uns an die Lebensbedingungen als Sklaven und die Befreiung aus der Sklaverei durch Gott, an die Rebellionen der Israeliten und an die Vergebung durch Gott.

Das was uns das letzte Buch der Tora vor Augen führt, ist ein sehr sorgsamer Umgang mit der Tradition. Es verlangt, dass wir uns an die Vergangenheit erinnern, sie bewahren und zur Grundlage unserer Entscheidungen nehmen. Mehr noch, unsere Geschichte erschafft den Rahmen, innerhalb dessen wir handeln sollen.

ABER, mit denselben Worten erfahren wir auch, dass dies keinen Stillstand bedeutet. Aus den Erfahrungen lernen wir für die Zukunft. Die Gebote und Verbote müssen für jede Generation und durch jede Generation neu ausgelegt werden. Realitäten ändern sich, weil wir uns ändern.

 

  • Aus Sklaven werden freie Menschen,
  • Aus Überlebenden werden Menschen, die die Zukunft gestalten.
  • Aus Kindern wird eine neue Generation.

 

Etwas, das m.E. bis heute seine Gültigkeit und Bedeutung hat.

Vor drei Wochen war ich mit einer Gruppe von Netzer Chanichim in Auschwitz. Wir haben uns vor Ort mit der Vergangenheit auseinandergesetzt – Fragen gestellt, Antworten gesucht.

Ein Fazit dieser Reise ist für uns, dass wir alle mithelfen müssen, an die Verbrechen der Shoa zu erinnernd und das Andenken der Opfer zu bewahren. UND gleichzeitig müssen wir auch die Ereignisse nach 1945, u.a. der Aufbau eines neuen jüdischen Lebens in einem demokratischen Europa, würdigen. Weder das eine, noch das andere darf alleine maßgebend für das sein, was wir als jüdische Gemeinschaft tun.

  • Die Erinnerung an das was geschehen ist,
  • die Erfahrungen der Überlebenden
  • und die Visionen der nächsten Generationen

bilden im Dreiklang den Handlungsspielraum, in dem wir uns bewegen sollten.

Gus Portakolos, unser Protagonist aus dem zitierten Film ist stolz auf sein Griechenland und dessen Beitrag zur Sprachkultur. Ich finde zu Recht. Und so wie er stolz auf das ist, was seine, griechische Sprache beigetragen hat, sollten wir nicht verstecken, was unsere Tradition und unsere Werte zu bieten haben. Nicht von einem überlegenen, unreflektierten Standpunkt aus, sondern im Dialog mit anderen,

  • als eine Gemeinschaft, die zuhören kann;
  • als Menschen, die Werte leben um damit die Zukunft zu gestalten,
  • und als Menschen, die anderen helfen, ihren eigenen Weg zu finden, ohne ihnen die eigene Identität abzusprechen.

Das zählt für mich zum Kern des fünften Buches der Tora und bildet die Grundlage für ein weiterhin modernes Judentums.
Schabbat Schalom

Drascha gehalten anläßlich der Jahrestagung der Union progressiver Juden in Deutschland, Schabbat Chazon – Dewarim 5773 (11-14.7.2013)

Israel und Edom

Die Haftarah für den letzten Shabbat war nach sefardischer Tradition das Buch Obadiah. Diese Wahl scheint der sonst üblichen Auswahl zu widersprechen, nach der die Haftarah inhaltlich parallel zur Torah-Lesung sein sollte. Während unser Wochenabschnitt die Versöhnung der Zerstrittenen Brüder Jacob und Esau zum Thema hat, beschreibt die Haftarah die ewige Feindschaft zwischen Israel und Edom. Die Wahl der Haftarah muss eine tiefere Bedeutung haben.

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Lasst uns die Feindbilder auf beiden Seiten einreissen

fast wäre der nachfolgende artikel auf grund der unscheinbaren mail, mit der er daher kam, in meinem virtuellen ablagestapel gelandet,  aber nur fast und zum glück nicht. nach einem einstieg, der nicht unbedingt einfach (für mich!) ist, findet sich ein wunderbares plädoyer für einen gemeinsamen weg aus der krise, oder zumindest für dessen anfang.

wer die folgenden zeilen liest, wird sich vielleicht denken: schöne worte, aber wenig konkretes, dem möchte ich antworten: richtig. nicht unbedingt ein realpolitisches dokument für die tagespolitik. dieses plädoyer besticht durch seine worte, die wie balsam in einem konflikt sind, der längst vergessen hat, dass menschen unter ihm leiden. vielleicht hilft es; vielleicht ist es wie der dringend benötigte notverband, direkt nach einem unfall. er heilt nicht, aber er lindert ein wenig die größten schmerzen.

durch meinen beitrag möchte ich dem plädoye ein wenig mehr zur verbreitung verhelfen, den ich glaube, dass uns die schmerzen längst sämtliche optionen zur heilung geraubt haben. möge es trotz, oder gerade wegen seiner viele diskussionswürdigen punkte, ein ausgangspunkt für weiteres nachdenken sein:

„Laßt uns die Feindbilder auf beiden Seiten einreißen“

Ein Plädoyer für Besonnenheit, Differenzierung und Dialog – Kraftanstrengung von Muslimen und Juden ist jetzt gefordert – Von Muhammad Sameer Murtaza

Ich möchte mit drei Feststellungen beginnen:
(1) Die Abriegelung des Gaza-Streifens ist ein klarer Bruch des Völkerrechts. Keine Regierung der Welt besitzt das Recht, Menschen auf Dauer einzusperren. Diese Politik wird von der internationalen Gemeinschaft nicht mehr gedeckt. Auch hat der geplante Bau von 1.600 Wohneinheiten im annektierten Ostjerusalem und der unaufhörliche Siedlungsbau im Westjordanland, der inzwischen als „natürliches Wachstum“ bezeichnet wird, Israel politisch zu einem einsamen Staat werden lassen.

(2) Weltweit empfinden Muslime Wut und Empörung über das, was ihren Glaubensgeschwistern in Palästina angetan wird. Demütigung birgt die Gefahr blinder Gewaltbereitschaft. Es gibt einen kausalen Zusammenhang zwischen den Ereignissen in Palästina und den verwerflichen weltweiten Anschlägen auf jüdische Einrichtungen wie Schulen oder Synagogen. Fatalerweise unterscheiden Muslime in der Regel nur unzureichend zwischen den Handlungen des israelischen Staates als politischem Akteur und der jüdischen Religion.

(3) Der Nahost-Konflikt hat tiefe Spuren im beiderseitigen Denken hinterlassen. Auf Seiten von Muslimen wie auch Juden sind Feindbilder entstanden, die einen Tunnelblick verleihen. Das Einsickern europäischen antisemitischen Gedankenguts in das muslimische Denken im Zuge des Palästinakonfliktes erfolgte in zwei Schritten. In der ersten Phase wurden europäische antisemitische Themen und Anklagen (z.B. durch Übersetzung antisemitischer Fälschungen wie Die Protokolle der Weisen von Zion) absorbiert. In der zweiten Phase wurden diese Themen durch islamische Ideologen wie Sayyid Qutb assimiliert, verinnerlicht und schließlich dem Islam übergestülpt. Ein gutes Beispiel hierfür ist Qutbs Schrift Ma’rakatuna ma’a l-Yahud (Unser Kampf mit den Juden). Dieser islamisch verbrämte Antisemitismus hat die gegenwärtige muslimische Sichtweise auf das Judentum stark beeinflusst.

Verschärfend kommt hinzu, dass der Zentralrat der Muslime zwar mahnt, dass der Nahost-Konflikt ein politischer sei, er jedoch von nicht wenigen Muslimen und Juden als religiöser Konflikt gesehen wird.
In den nächsten Tagen oder Wochen werden tausende Muslime auf die Straße gehen und gegen die Gaza-Blockade demonstrieren. Dies ist gut so und stellt eine legitime Kritik dar, aber mit welcher Einstellung tun wir dies und was kommt danach?

Wir sollten uns vorsehen vor einem simplen Schwarz-Weiß-Denken

Die Muslime werden im Qur’an als eine Gemeinschaft der Mitte charakterisiert. Eine solche Gemeinschaft ist eine vernunftgeleitete, die sich nicht von Emotionen überwältigen lässt, so sehr sie auch berechtigt sein mögen. Allen muslimischen Demonstranten sollte klar sein: Wir protestieren gegen die Handlungen der israelischen Regierung, die offenbar davon überzeugt ist, in einer moralischen Sonderwelt zu leben, in der sie glaubt, sich mit dem steten Hinweis auf angebliche Selbstverteidigung jedes Recht herausnehmen zu dürfen. Gleichzeitig dürfen wir jedoch nicht übersehen, dass die Hamas Raketenbeschüsse auf israelisches Gebiet duldet und diese nicht unterbindet bzw. als Vergeltungsaktionen provoziert.
Der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, hat es im Tagesspiegel deutlich auf den Punkt gebracht: „Unsere Trauer und unser Zorn richten sich nicht gegen das jüdische Volk, sondern gegen rechtswidrige und tödliche Handlungen der Armee.“

Unsere Alarmglocken sollten schrillen, wenn wir bei uns eine feindselige Haltung gegenüber Juden im Allgemeinen feststellen, die ihnen einen von Natur aus schlechten Charakter zuschreibt. Wenn wir solches verspüren, dann sind wir Opfer eines verführerischen antisemitischen Denkens geworden, das keinen Platz im Islam hat. Dieser Antisemitismus entwirft ein Feindbild, das sich hervorragend dazu eignet, die komplexe Wirklichkeit zu vereinfachen, um sie somit schlüssig zu machen:

• Das Feindbild entlastet: Durch das Stereotyp des international agierenden Judentums kann man diesem alle Schuld zuschieben. Alle unsere Frustrationen lassen sich gefahrlos nach außen auf einen Sündenbock projizieren. Juden werden nicht mehr als Individuen wahrgenommen, sondern als ein kollektiv handelnder Körper. Ausgeblendet wird dabei, dass auch Juden an dem Vorgehen der Regierung Netanjahus und der Siedlungsbewegung heftige Kritik üben.

• Das Feindbild eint: Wir Muslime sind uns zwar in vielem uneins, doch einig sind wir gegen einen äußeren Feind. Ein gemeinsamer Feind stärkt den Zusammenhalt. Das Judentum wird als Kollektiv wahrgenommen und ermöglicht ein Block-Denken. Ausgeblendet wird dabei, (1) dass Israel gemeinsam mit Ägypten eine Blockade über den Gaza-Streifen verhängt hat, (2) dass das religiöse Establishment der Al-Azhar-Universität sich daran wenig störte, (3) dass die Türkei, die nun als Fürsprecher der Palästinenser auftritt, zugleich durch Rüstungslieferungen an Israel ein gutes Geschäft betreibt und (4), dass die gesamte muslimische Welt sich bis heute wenig engagiert gezeigt hat, um politische Perspektiven für einen Frieden zwischen Palästinensern und Israelis zu entwerfen. Wenn es um den Friedensprozess geht, blicken die Palästinenser nicht nach Teheran oder Riad, sondern sehnsüchtig nach Washington.

• Das Feindbild polarisiert: Muslime, die ihre Stimmen gegen eine solche Simplifizierung erheben, werden ausgegrenzt. Es gilt das Prinzip Entweder-Oder. Entweder man steht auf Seiten der Muslime oder auf Seiten der Juden. Feindbilder pressen alles in ein Freund-Feind-Schema. Jedes Vorgehen des Feindes wird an den Pranger gestellt, aber die Methoden der eigenen Leute bleiben frei von jeglicher Kritik, gleichgültig wie verwerflich sie sind wie z.B. die islamwidrigen Selbstmordattentate.

• Das Feindbild aktiviert: Wir gehen auf die Straße demonstrieren, versenden Rundmails, gründen Pro-Gaza-Gruppen auf Facebook und Studivz und machen unserem Zorn Luft…, aber was dann? Spätestens zwei bis drei Wochen später nehmen wir unser geregeltes Leben wieder auf, aber die Menschen in Palästina und Israel können dies nicht. Für sie ist der Nahost-Konflikt Alltag.

Laßt uns die Feindbilder auf beiden Seiten einreißen

Was wünschen wir uns für die Menschen in Palästina? Wie lange sollen ganze Generationen von Palästinensern unter den Bedingungen einer willkürlichen Besatzungsmacht aufwachsen und leben? Frieden und Sicherheit für die Palästinenser muss aber zugleich Frieden und Sicherheit für die Israelis bedeuten. Hierzu kann jeder Jude und jeder Muslim einen Teil beitragen. Der Theologe Hans Küng hat es deutlich formuliert: Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen. Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen. Kein Dialog zwischen den Religionen ohne Grundlagenforschung in den Religionen.

Dies bedeutet eine enorme Kraftanstrengung von Muslimen und Juden: (1) Beide Seiten müssen sich vom vorherrschenden unseligen Kollektivdenken befreien. Es gibt nicht die Juden, ebenso wenig wie es die Muslime gibt. Das Judentum und der Islam sind keine monolithischen Gebilde.

(2) Beide Seiten müssen das Wir-Die-Denken aufgeben. Was uns über alle Religionen eint ist unser Menschsein. Jeder Mensch verfügt über eine Würde, die bereits mit seiner Existenz gegeben ist. Sie ist nicht Gegenstand einer Zuerkennung, sondern einer Anerkennung.

(3) Wir müssen anerkennen, dass beiden Seiten Leid widerfahren ist. Die Schoah und die Naqba haben Juden wie Palästinenser tief geprägt.

(4) Beide Seiten sollten sich auf ihren gemeinsamen Ursprung besinnen. Juden und Muslime glauben gemeinsam an denselben einen Gott, den Gott Abrahams, Ismaels und Isaaks. Dieser Glaube befreite sie aus der Knechtschaft des Polytheismus und machte sie zu einer Gemeinschaft der Gleichen unter Gott und damit zu freien Menschen unter Gott. Juden und Muslime bilden jeweils theozentrische Gemeinschaften. Gemeinsam bilden sie eine abrahamitische, gottgläubige Gemeinschaft.

(5) Beide Seiten müssen sich an die Zeit vor dem Nahost-Konflikt erinnern. Es gab niemals eine „ewige Feindschaft“ zwischen Juden und Muslimen, wie uns Extremisten auf beiden Seiten dies glauben machen wollen. Die Juden sahen seit jeher die Muslime, mit Verweis auf den Bund Noahs, als Fromme unter den Weltvölkern an, die ihren Platz in der göttlichen Weltordnung haben, auch wenn sie keine Juden sind. Die Muslime betrachteten die Juden stets als Leute der Schrift, die unter Schutz der Muslime standen. In der Geschichte des Islam haben Juden zehn Jahrhunderte lang unter islamischer Herrschaft gelebt. Auch in dieser Geschichte gab es Diskriminierung, aber es gibt keine Parallelen zu den Verfolgungen und den Pogromen in Europa oder dem Holocaust. Im Gegenteil, wer sich in die Geschichte der Juden und der Muslime vertieft, findet eine Geschichte der gegenseitigen intellektuellen Befruchtung vor.

(6) In beiden Religionen ist Gerechtigkeit zentral. Für Juden und Muslime ist Gerechtigkeit kein abstrakter Begriff, sondern ein Verhaltensbegriff. Gerechtigkeit ist etwas, dass realistisch durch Tun erreicht werden kann. Dies eröffnet den Weg, völker- und religionsübergreifend nach einem gemeinsamen Ethos zu suchen, um dem Frieden einen Schritt näher zu kommen.

Es ist schon verwunderlich, dass es nach dem Gaza-Krieg nicht zu einer Zusammenarbeit von Juden und Muslimen gekommen ist. Initiativen wie die Stiftung Weltethos (http://www.weltethos.org), JuMuDia (Jüdisch-Muslimischer Dialog; http://jumudia.wordpress.com), das Projekt „Gemeinsames Kernethos von Judentum und Islam“ des Arbeitskreises Eine Menschheit (www.eine-menschheit.de) oder die Bemühungen des Vereins Jung und Jüdisch (http://www.jungundjuedisch.de/) für einen Dialog zwischen Juden und Muslimen bleiben exotisch.

Was bleibt von dieser Krise? Kehren wir nach ein paar Wochen Wut zu unserem Alltag zurück oder beginnen wir produktiv für den Frieden zu arbeiten? Dies wäre wahrhaft gelebte Solidarität mit den Palästinensern. Gelingen kann dies nur, wenn Juden und Muslime Kooperationsgemeinschaften gründen oder bereits bestehende Friedensprojekte unterstützen. Es gilt das Motto: Lokal handeln, global denken. Kooperationsgemeinschaften sind globale Akteure, denn sie setzen grenzüberschreitend Zeichen für den Frieden. Wie erfolgreich diese Bemühungen sein werden, wird die Zeit zeigen. Doch eines ist jetzt schon klar, wo miteinander gesprochen wird, schweigen die Waffen, wo nach dem Gemeinsamen gesucht wird, da wird nicht ausgeschlossen, wer Dialog führt, der beweist die Stärke, den Dialog auszuhalten.

Muhammad Sameer Murtaza ist Islamwissenschaftler, Mitbegründer des Arbeitskreises Eine Menschheit und externer Mitarbeiter der Stiftung Weltethos. Mit der Vortragsreihe „Gemeinsames Kernethos von Judentum und Islam“ setzt er sich für ein besseres Verständnis zwischen den beiden Religionen ein.

absender der email ist http://eine-menschheit.de/

(ich denke, diese mail beantwortet einige diskussionen die zu meinen anderen beiträgen gerade stattfinden. um dem grundtenor dieses beitrages nachzukommen, möchte ich vorerst die diskussionen nicht fortführen. ich brauche zeit zum nachdenken.)

Shilo – Westbank

Letzten Shabbat habe ich in Shilo verbracht. Shilo ist eine der älteren jüdischen Siedlungen in der Westbank. Geographisch gesehen, liegt dieses kleine Dorf genau in der Mitte dessen, was wahrscheinlich mal das Staatsgebiet eines palästinesischen Staates sein wird.

Ortseingang zu Shilo.

Ortseingang zu Shilo. Shilo ist eine offene Siedlung, d.h. es gibt keinen Zaun oder Mauer um die Stadt

Nach meinen Tour mit Encounter nach Bethlehem, war es mir wichtig, noch vor meiner Rückreise auch einen Shabbat in einem Settelment zu verbringen. Ich wollte wissen, wer diese Menschen sind, die sich entscheiden haben, in diesen Siedlungen zu leben. Wer diese Menschen sind, die immer wieder auf so dramatische oder eindrucksvolle Weise, den Lauf der Politik zu beeinflussen wissen. Als es sich angeboten hat, mit einem neuen Freund, dessen Eltern in Shilo leben, einen Shabbat zu verbringen, habe ich spontan zugesagt.
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Video von Noam Shalit

Heute bekam ich folgende Email, deren Bitte ich hiermit gerne erfülle. Bitte schließt Euch alle an:

(c) Wikipaedia // 2009 גלעד שליט בקלטת שהתפרסמה ב-2 באוקטובר Gilad’s Shalit’s father made a video clip on occasion of Yom Ha’atzmaut which has only had 7000 hits. That must be disheartening for the Shalits. I encourage everyone to watch and to send on to their family, friends, lists etc. For the bloggers on this list please help spread the word. Schools should encourage students to watch after all that is who Noam Shalit is addressing. http://www.youtube.com/watch?v=8VH9xQbYJP8&feature=related

Wikieintrag über Gilad in Englisch, Deutsch, Hebräisch.

Berechtigte Kritik !?

einer meiner leser hat zu meinem letzten artikel kommentiert, dass ich/juden zu wenig selbstkritisch bin/sind. hier meine stellungnahme:
Lieber Gray,
wenn sie sich ein bisschen meine ersten artikel zu der karfreitagsfürbitte durchgelesen haben, betrache ich die entwicklung durch aus in verschiedenen richtungen. ich honoriere vor allem die aus der kirche vorgeschlagenen lösungswege, wie z.b. die nach dem neuen ritus geltende fürbitte eins zu eins in den alten ritus zu übernehmen.
natürlich gibt es in der jüdischen liturgie auch polemiken gegen nicht-jüdische religionsverständnisse. und gerade die reformbewegung ist sich dem bewusst und hat viele traditionelle gebete abgeändert. bestes beispiel ist das gebet “Birkat Minim” in der amida. auch wenn es sich in der ursprünglichen intention gegen die “abtrünnigen” aus den eigenen reihen wendet, wurde es gerade durch christliche interpreten als anti-christlich eingestuft. in der reform-liturgie ist es nun dahingehend geändert, dass es der ursprünglichen intention näher kommt und über die wandlung des “bösen” im menschen zum guten bittet. auch das aleinu gebet hat diese wandlung erfahren.
ich bin mir sicher, dass die katholische liturgie einige gebete aufweist, die sich gegen den nicht-monotheistischen glauben wendet und so finden wir auch diese in der jüdischen liturgie. da die kirchen die gleichen quellen (d.h. die heiligen schriften – vor allem die propheten) verwendet, die auch die basis für unsere liturgie darstellt, sind diese analogien schon von natur aus gegeben.
was mich aber dennoch zu der deutlichen kritik an der katholischen kirche veranlasst, ist die tatsache, dass die fürbitte “neu” ist. sie ist wider die lehrmeinung, die nach dem zweiten vatikanischen konzil maßgebend war, vom papst selbst verfasst worden. und sie spricht nicht vom generellen wunsch, den eigenen glauben zu verbreiten, sondern spricht explizit nur von uns juden. es tut mir leid, aber ich fühle mich tatsächlich auf den fuss getreten. und im unterschied zu den jahrhunderten davor, schreie ich/schreien wir juden jetzt auf, wenn man uns zu nahe tritt. das gleiche recht hat auch die katholische kirche in umgekehrter richtung.
das gleiche gilt auch für den holocaust-leugner wiliamson. seit monate fährt die kirche zweigleisig. sie kritisiert zwar wiliamson, aber gleichzeitig steht sie weiter in direkten verhandlungen mit der bruderschaft und ist weiterhin bereit auch wiliamson wieder voll aufzunehmen. welches verheerende signal sendet uns da rom?
meine kritik an der aufarbeitung der missbrauchsfälle, die derzeit überall zum vorschein kommen richtet sich im wesentlichen nur an den papst. er schweigt. kirchen sind wie andere religiöse einrichtungen auch, institutionen, die werte vorgeben und besipielhaft vorangehen müssen. viele der missbrauchsfälle sind nur deshalb möglich (und damit meine ich nicht nur innerhalb der kirche, sondern gesamtgesellschaftlich), weil jemand schweigt, weil die hilferufe der opfer nicht gehört werden.
unsere gesellschaft steuert auf das große schweigen zu. lieber man schaut weg, als sich zu äußern. unsere religionen basieren aber eigentlich auf einem anderen konzept. wir sollen zeugnis geben. zeugnis geben verlangt, dass man den mund auf macht und stellung bezieht.
ich gebe zu, meine kritik war zuletzt sehr polemisch und ich akzeptiere die rüge. nicht ganz stehen lassen möchte ich aber, dass ich durchaus kritisch das judentum betrachte. insbesondere, wenn moderne entwicklungen zu einer spaltung des judentums führen, oder wenn eine strömung versucht, einer anderen ihren eigenen willen aufzuzwängen. aber wie so oft, ist selbstkritik schwerer als anders herum und ich freue mich auf kritische anfragen, die mir helfen, missstände zu erkennen.

Können Juden und Christen gemeinsam Beten?

„Ist es für einen Rabbiner denkbar, bzw. möglich, zusammen mit einem christlichen Geistlichen einen G’ttesdienst zu feiern?“.

Für eine Rabbinerin, für einen Rabbiner ist dies eine enorm wichtige Frage, mit alltäglicher Relevanz: Von meinen zukünftigen Kollegen, und auch aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es regelmäßige Anfragen nach gemeinsamen religiösen Veranstaltungen, G‘ttesdiensten und Zeremonien gibt. Vom Eröffnungsg’ttesdienst für eine Konferenz, bis zum gemeinsamen Friedensgebet während einer politischen Veranstaltung, von der Jugendbegegnung bis zu einer gemischt-religiösen Hochzeit. Es gibt unzählige Veranstaltungen zu denen Rabbinerinnen und Rabbiner eingeladen werden. Aber auch ohne Rabbiner und Priester – allein schon die Begegnung von religiösen Menschen an sich wirft die Frage auf, ob man miteinander beten kann oder soll.
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"Kuenstliche Befruchtung" im Islam

Adrian Michael Schell
ZUR ASSISTIERTEN REPRODUKTION AUS DER SICHT DES ISLAMS
Eine erste Einführung

Begriffsbestimmung:

Unter assistierte Reproduktion versteht man aus medizinischer Sicht therapeutische Maßnahmen, die außerhalb der sexuellen Begegnung von Mann und Frau die Befruchtung von weiblichen Keimzellen (Eizellen) ermöglichen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird diese Methode als „Künstliche Befruchtung” bezeichnet. Dieser Ausdruck ist letztlich nicht ganz richtig, denn die Befruchtung zwischen Spermien und Eizelle verläuft genauso, wie sonst im Eileiter. Es ist also nicht die Befruchtung selbst, sondern nur ihr Ort “künstlich”.  Die Befruchtung außerhalb des Körpers (extrakorporale Befruchtung, auch kurz als IVF bezeichnet), wird seit 1978 in der Behandlung z. B. bei unerfülltem Kinderwunsch eingesetzt. Die Schwangerschaftsrate nach IVF ist in hohem Maße z.B. von der zur Sterilität führenden Störung abhängig. Ein zweiter wichtiger Faktor ist das Alter der Frau. Weltweit werden die Schwangerschaftsraten mit ca. 25% pro Transfer angegeben. Da man damit rechnen muss, dass ca. 20% der Schwangerschaften in einer meist frühen Fehlgeburt enden, liegt die Rate der Frauen, die tatsächlich ein Kind bekommen, bei ca. 20% pro Versuch.

Die am meisten diskutierten Therapien sind:

– die künstlich intrauterine Insemination (u.a. „Samenspende“)

– die In-vitro-Fertilisation (IVF) mit Embyonentransfer

– die intrazytoplasmatische Spermieninjektion („echte“ künstliche Befruchtung)

– und die Leihmutterschaft

Exkurs: Es wird diskutiert, überzählige Embryonen, die bei der IVF entstehen, für die Stammzellenforschung zu verwenden. Stammzellen sind Zellen in einem Entwicklungsstadium von dem aus sie sich in mehr als 200 verschiedene Gewebearten entwickeln können. Die überzähligen Embryonen werden aufgetaut und wachsen im Labor vier Tage lang. Ausgehend von diesem Entwicklungsstadium konnten US-Forscher erstmals 1998 Stammzellen gewinnen, die sich unentwegt teilen, jedoch nicht zu einem Baby heranwachsen.

(Wer auf der Suche nach medizinischen Ansprechpartnern ist, dem empfehle ich die Website: http://www.repromed.de/. Auf dieser Website kann man Fachärzte vor Ort suchen und kontaktieren.)

Vorbemerkung:

Die mir vorliegenden Quellen beschreiben nur einen kleinen Ausschnitt der aktuellen, innermuslimischen Diskussion zu diesem Thema. Wie im Judentum, so gibt es auch im Islam ein großes Spektrum von Lehrmeinungen. Da in deutscher Sprache nur sehr wenig veröffentlicht wurde,  stütze ich mich bei meinem Kurzüberblick im Wesentlichen auf die beiden folgenden Bücher: Gâd-al-Haqq Alî Gâ-al-Haqq: “Künstliche Befruchtung” in: Moderne Medizin und Islamische Ethik, Thomas Eich (Hg./Übers.)und Ormi Rey-Stocker: ” Anfang und Ende des menschlichen Lebens aus der Sicht der Medizin und der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam“.

Auch kann ich leider nur mit einer deutschen Übersetzung des Qur’ans arbeiten, was dazu führt, dass ich eventuelle Wortvarianten und Übersetzungsmöglichkeiten bei der Beurteilung nicht eigenständig durchführen kann, sondern mich ausschließlich auf die Interpretation des Übersetzers verlassen musste.

Die herangezogenen Fatwas sind mir als Beispielhaft empfohlen worden, oder wurden im Rahmen der Fußnoten in den von mir verwendeten Quellen erwähnt. Dieser Text entstand für ein Seminar in der Uni, um einen kurzen Einblick zu gewinnen. Er stellt nicht die volle Breite des Diskussion dar. Viel mehr ist er die Ausgangsbasis für weitere, tiefergehende Diskussionen. Ich empfehle, auch die Fussnoten am Ende zu lesen 🙂 …

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Ist der Iran auf dem Weg zur Revolution?

gestern habe ich als statusmeldung in facebook folgenden text eingegeben:

Adrian Michael Schell fragt sich, wie die Iran-Euphorie zu bewerten ist, die gerade um sich greift. Glaubt den wirklich jemand, dass sich die grundsätzliche Haltung des Irans, z.B. gegenüber Israel, ändern wird. Zudem befürchte ich, dass Mir Hossein Mussawi nur eine Spielfigur im Machtstreben anderer ist.

erste rektionen hierzu erhielt ich über nacht:

S***: Ich glaube auch, da wird so einiges verwechselt…andererseits steht zu hoffen, dass Moussavi jetzt nach den Protesten fuer einen umfassenderen Wandel steht.

C***: Glaubt Ihr, die Demonstranten gehen nur noch für Mousawi auf die Straße? Da geht es doch grundsätzlich darum, dass das System die Menschen an der kurzen Leine hält… Um Mousawi könnte man sich später immer noch kümmern 😉

M***: Oh Adi, das schätzt du leider falsch ein. Die Faszination liegt in der Nutzung der neuen Medien gegen eine Diktatur. Ein Großteil der Demonstranten will nicht Mussawi, sondern einen Regimewechsel. Mousawi gehört zum System, ist aber Reformer wie Chatami. hat Chatami Israel jemals mit Vernichtung gedroht? Diese Proteste finden u.a auch statt, weil Obama mit seiner Respect-Politik den Mullahs ihr liebstes Feindbild geraubt hat. Wenn die Mullahs und die Bombe als Israels “größte Bedrohung” verschwinden, hat auch Israel bessere Chancen für eine ehrliche Friedenspolitik ohne Rechtsextremisten wie Netanjahu und Lieberman, die auch nur aufgrund der geschürten Ängste regieren.

J***: zunächst mal: es kann nur besser werden. Und dann ist die Position Moussavis zu Israel und zur Shoa schon eine andere. Allerdings bin ich auch der Meinung, daß Scharfmacher wie Lieberman kaum das Recht haben, mit dem Finger auf andere zu zeigen – wenn sich die Situation für Israel nicht grundsätzlich ändern wird, liegt das auch an ihnen. Aber man wird sehen, was die nächsten Monate bringen – vielleicht nutzt Netanyahu ja die Gunst der Stunde und eröffnet Friedensgespräche mit Syrien, das wäre das klügste, was er jetzt tun könnte.

M***: …an den Mullahs hängen u.a Hamas und Hisbollah. Wenn die Unterstützung weg fällt, wäre das für Netanjahu ein schlimmer Tag. Er wäre gezwungen von seiner rassistischen und frevelhaften Politik abzuweichen und könnte von Obama zum Frieden gezwungen werden. Glaub mir, wenn Ahmadinedschad fällt, dann fällt auch Nasrallah.

S***: Jeder Spielt seinen Pion, wer den Zug vorher ahnt hat vorgesorgt, wer nicht muss sich in acht nehmen. Dieses Spiel in Iran wurde schon vor Jahren gespielt, jetzt wiederholt sich die sache, nur jetzt wurden die Zügeln in andere Hände gegeben. Ich bin mir sicher das in diese Region nur ruhe Herschen wird wenn andere Ihre Finger von dieser Region lassen.

M***: Bei den Demonstrationen geht es ja um Fragen wie: Wo ist meine Stimme. Es geht um das Menschenrecht auf freie Wahlen und die Möglichkeit, demonstrieren zu können ohne gehindert, verletzt oder gar umgebracht zu werden. und die eigene Geschichte hat mir bewusst gemacht, wie wichtig das ist. Ich glaube, niemand ist so naiv zu denken, dass sich im Iran grundsetzlich etwas ändert. Aber selbst die berühmten kleinen Tropfen auf dem heißen Stein werden mal zu einem Fluß. Die ” Iran-Euphorie” ist eigentlich, so denke ich, vor allem ein Zeichen der Solidarität mit den Leuten auf der Straße. Man muss sich schon sehr stark Reformen wünschen um unter diesen Umständen noch auf die Straße zu gehen, ich kann nur hoffen, den gleichen Mut zu haben.

Quelle: Wikipedia

Quelle: Wikipedia

die rektionen helfen mir, eure gründe für die solidarität zu verstehen und selbstverständlich teile ich diese. die bilder sind erschreckend und sind kaum auszuhalten. sie sind ein guter beweis dafür, dass es sich im iran nur um eine pseudodemokratie handelt, die sofort zuschlägt, sobald sie die kontrolle zu verlieren scheint. wie viele andere glaube ich auch, dass eine veränderung NUR aus dem system heraus kommen kann. wer auch immer veränderungen will, muss verbündete in den bestehenden strukturen haben, die ihn stützen und ggf. die lage beruhigen.

beunruhigend war für mich aber eine analyse, in den gestrigen tagesthemen , die einen blick auf die “verbündeten” von mussawi freigab: “einige großajatollahs wollen wieder mehr macht; weg von der zentralen machtposition des präsidenten”. mussawi könnte daher wirklich nur eine spielfigur im schachspiel einiger älterer männer sein und meine angst besteht weiterhin vor einer zunehmenden islamischen fundamentalisierung. der preis für die revolution könnte genau dies sein.

ich bin zu weit weg und kenne mich zu wenig aus, um wirklich die lage auch nur annähernd einschätzen zu können. vom bauchgefühl her kann ich aber sagen, dass meine erwartungen nicht groß sind.

*** NACHTRAG *** – Weitere Reaktionen von meiner Facebook-Seite:

N***: oh mann!! den demonstranten geht es doch nicht um Mousawi! sondern um den Sturtz des Regiemes!! darum gibt es diese Euphorie! wenn das gelingt ändert dies schlagartig die Situation nicht nur im Iran, sondern im gesamten Nahen Osten!. Wer -außer den westlischen Medien – spricht denn von Mousawi? der wäre ja nur ne zweite Marionette des Regimes! das ganze wollen sie weg haben. der kleiner azzari der gerade herumspukt, ist doch nichts anderes als ein regime-kasperl. seit 1979 terrorisieren die Mullahs die Bevölkerung, wie die deppen nun heißen ist doch einerlei..

J***: ich bin mir ziemlich sicher, daß es den Leuten auch um Moussavi geht. Als Anlaß und als Führungsfigur. Wenn Moussavi überlebt und sich tatsächlich was ändert, wird er eine wichtige Rolle spielen. Ob er aus seiner Rolle als Revolutionär dann noch heraus kann, ist eine andere Sache. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, daß sich das System von innen heraus transformieren und erneuern wird, erste Anzeichen dazu sind da. Eine säkulare Demokratie wird Iran sicher nicht werden – ob das von der Bevölkerung gewünscht ist, halte ich auch für sehr zweifelhaft. Und – meiner beschiedenen Meinung nach – ist das auch nicht notwendig.

J***: Mousawi will keine grundsätzliche Änderung. Er wurde gegen seinen Willen zu einer Symbolfigur einer Demokratiebewegung, die er so nicht haben wollte und diese Bewegung will zwischenzeitlich mehr, als nur eine Neuauszählung der Stimmen.

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