endlich. eine weitere, kleine hausarbeit habe ich heute morgen abgeschlossen. thema: der islam in bengalen. im letzten semester hatte ich einen interessanten kurs an der uni zum thema synkretismus. gibt es vermischungen von religionen, was sind ihre wurzeln, ihre motivationen und was sind die ausprägungen? wann kann man überhaupt von synkretismus sprechen? synkretismus ist eigentlich ein aus dem griechischen altertum entlehntes wort. es beschreibt in seiner urbedeutung das phänomen, dass auf kreta sich die einzelnen dorfgemeinschaften zwar feindlich gegenüber standen, aber im fall einer äußeren bedrohung zusammenschlossen. im übertragenen sinne kann man also sagen, dass synkretismus ein zusammengehen von dingen beschreibt, die eigentlich nicht zusammengehören.
in der religionswissenschaft setzte sich der begriff dann als beschreibung von religionsverbindungen, mischungen und neugründungen durch. aber richtig definiert wurde der begriff nie so richtig. so ist es z.b. schwierig zu sagen, ob z.B. das christentum ein fall von synkretismus ist. das würde bedeuten, dass es einen zusammenschluss aus judentum mit der hellenistischen G’ttesvorstellung gab (schwierig und man gerät leicht auf glatteis). ich würde eher von einer entwicklung einer strömung im judentum sprechen, die stark durch die hellenistische philosophie beeinflusst wurde.
beim islam sehe ich schon eher eine vermischung von religionen vorliegen. eindeutig wurden elemente der vorherrschenden religionen verwendet und zu etwas eigenständigem geformt. deutliches merkmal hierfür ist die beibehaltung verschiedener heilsfiguren aus dem gebenden religionen, die beibehaltung religiöser riten. typisches anzeichen ist auch, dass elemente der alten religion neu definiert werden, um den gläubigen den übergang zu erleichtern. beispiel hierfür ist das heiligtum in mekka, oder jerusalem als heilige stadt.
meine kleine arbeit [nachfolgend ein kleiner auszug] um den islam in begalen stellt nun einen fall vor, der eher kein beispiel von synkretismus ist. um sich stärker in indien ausbreiten zu können, übernamen islamische dichter die volksdichtung der hindus und wandelten diese in islamische literatur um, d.h. im stil der vorislamisch erzähltradition entstandenen islamische legendenerzählungen, gedichte usw.. an die stelle hinduistischer g’ttheiten und helden treten islamische helden und heilsfiguren.
Konkret bedeutet dies aber auch, dass die muslimische Dichtung die vorherrschende Traditionsliteratur ersetzen sollte und auch tat. Bemerkenswert ist, dass islamische Heilsgestalten in den Kontext lokaler Traditionen eingebunden werden und diese dann als Personen der eigenen bengalischen Geschichte / Mystik identifiziert werden. Asim Roy* nennt hier einige Beispiele für islamische Heilsfiguren, die in die neue Legendenbildung mit einbezogen wurden, z.B.:
A semi-historical person named Hanifā, believed to be a son of Ali, the Prophet’s son-in-law, became the center of many heroic and supernatural exploits, which people wished to hear. In close resemblance to the legend of the Bengal vaiṣnav leader Chaitanya (A.D. 1486-1534), an utterly fictitious story relating to the kidnapping and eventual rescue of Hasan and Husain, grandsons of the Prophet, found its way into the Muslim Bengali literary tradition.
Abu Jahl ist ein weiteres Beispiel für die Übernahme einer islamischen Figur, diesmal als Substitut für eine negative Gestalt aus der Vishnu-Tradition: Er tritt als Führer der Hindus auf, der in einer Geburtslegende um Mohammed versucht, diesen bereits vor, bzw. nach der Geburt zu töten. Die ganze Geburtslegende spiegelt hierbei bengalisches Brauchtum wieder und ist in die traditionelle Erzählkultur eingebunden. Durch diese Technik wurden islamische Figuren der lokalen Bevölkerung bekannt gemacht.
[…] The simplest device for making the figures of Muslim tradition known to the local people was to introduce them along with their Hindu parallels. The motive underlying this attempt was often to vindicate the Muslim hero, drawn into a comparative frame along with his Hindu counterpart. But the dominant object seemed to make both appear natural in the complex of the Bengali religious-cultural tradition. The great war between Ali and Jaykum, the infidel king of Iraq, was compared to those of Ram and the pāndavs of the Indian epics, […]
In einem weiteren Beispiel wird Ali, dem Neffe des Propheten, ein hinduistischer König namens Jaykum gegenübergestellt, vergleichbar den Schilderungen der großen indischen Epen. Ali ersetzt hier Ram (eine Inkarnation des Gottes Visnu), der in einem großen Kampf Ravna besiegt, bzw. die guten Krieger, die in den klassischen hinduistischen Erzähltexten geschilderten Kämpfen gegen „Heiden“ siegreich sind. Ebenso werden böse islamische Gestalten wie z.B. Iblis mit bösen Gestalten des Hinduismus in Verbindung gebracht:
Iblis of Muslim tradition found, though somewhat inappropriately, a parallel in Nārad of the Hindus.
Das hinduistische Konzept der Avatare, d.h. der Inkarnation von Gottheiten und Menschen hat einen einen Einfluss auf die entstandenen Erzählungen. Es erfolgt eine gewisse Gleichsetzung zwischen den „Vorgängergottheiten“ und islamischen Heilsfiguren. Um das theologische Dilemma, dass diese Heilsfiguren keine Gottheiten selbst sein können, übernimmt die islamisch-bengalische Literatur „nur“ die Aufgaben, die die Avatare in der vorislamischen Tradition hatten, nämlich eine aus den Fugen geratene Welt wieder in Ordnung zu bringen.[…] The most significant part of the attempt to reduce the polarity between the endogenous and exogenous traditions relates to the anxiety of the mediators to bring the Prophet himself in line with the comparable symbols of the Hindu tradition. […] it was a mere logical extension of this position to regard and present Muhammad as „the incarnation of God Himself’ (Muhammad rup dhari nij avatār) and as „a manifestation of his own self” (nij amśa prachārilā). […] Such innovations could not but pose serious theological problems, which the mediators sought to resolve by reconstructing the Hindu myths and even creating new ones. The most obvious question concerned the avatāric incarnation of God, as noted above. It is interesting that while an attempt was made, on one hand, to reduce Muhammad to God’s own self, the Hindu avatār Krisna, on the other, was boldly de¬picted as God’s messenger; consequently, the entire attempt may be seen as one of achieving their object by interchanging the contents of the concepts of nabi and avatār.
* Textgrundlage :
Unter Auslassung der Fußnoten und mit Hinzufügung eigener Anmerkungen entnommen aus Asim Roy, The Islamic Syncretistic Tradition in Bengal, Princeton/New Jersey 1983, 87-110 (=Part II.A. The Syncretistic Great Tradition, Chap. 3. History-Myth.)
wie gesagt, das beispiel zeigt in meinen augen keinen gewachsenen oder gewollten synkretismus, sondern eine literarische umsetzung einer mission. bessere beispiele für synkretismus im bereich von religionen sind z.B. der manichäismus oder voodo (letzterer ist ein gutes beispiel für aus missonierungen entstandene religionsformen).