Category: Dialog (Page 3 of 4)

Streitfall Religion

Unter diesem Motto “Welcher Gott ist zukunftsfähig?” diskutierten Gestern: Walter Homolka, Rabbiner, Manfred Lütz, Theologe, Psychotherapeut, Asiye Köhler, Islamwissenschaftlerin, Pädagogin, Fiona Lorenz, Pädagogin, Vorsitzende des Humanistischen Verbands Rheinland-Pfalz unter der Moderation von Gert Scobel.

Passend zu den aktuellen “Streitfällen” hätte dies ein interessanter Abend werden können, immerhin gibt es durchaus Themen, die kontorvers in der Luft hängen, aber irgendwie kam unter den vier keine rechte Streitlust auf.

Mit drei “provozierenden” Einspielern versuchte das ZDF der Diskussion Nahrung zu geben, aber leider waren diese so platt und nichtssagend, dass sie eher verwirrten als eine Richtung vorzugeben und zum anderen gerade begonnene Kontroversen im Keim erstickten. Es blieb bei einem netten Stelldichein verschiedener Religionsrepräsentanten, die etwa 7-8 Minuten Sendezeit hatten, was zu sagen – ob nun passend oder am Thema vorbei.

Frau Köhler versuchte ihr – zugegeben sehr positives – Bild vom Islam zu übermitteln, scheiterte aber daran, dass dies niemand hören wollte (das Bild, der Islam sei eine ehrenmordbefürwortende Religion konnte sie mangels fehlender Sendezeit und rhetorischer Schlagfertigkeit nicht ausräumen), Manfred Lütz wollte lieber sein Buch verkaufen, sowie die Idee eines undogmatischen (und aus Großherzigkeit) missionarischen Katholizismus und Rabbiner Homolka genoß es sichtlich, dass alle das Judentum irgendwie liebten und keinen rechten Angriffspunkt fanden, auch dem Judentum einen kleinen Kratzer im allgemeinen Religionsbashing mitzugeben. Ach ja, da war auch noch die Vertreterin der Atheisten, die eigentlich nicht die Atheisten vertreten möchte, sondern all die, die eben nicht glauben. Ich erinnere mich, dass sie einen Sitz im Fernsehrat fordert, aber ansonsten war es auch nicht wirklich etwas neues.

Aber vielleicht irre ich mich ja und die vielen Fernsehkameras haben mich von der spannenden Diskussion abgelengt, deswegen schlage ich dringend vor: Schaut Euch die Debatte im ZDF am Donnerstag in der Nacht an, oder nehmt sie auf. Eure Eindrücke interessieren mich.

ZDF Sendetermine:
Donnerstag 22.05.2008 auf Freitag 23.05.2008 (VPS), um 00:15 – 01:00 Uhr im Nachtprogramm
Wdh. am 23.05.2008 04:25 Uhr Nachtprogramm

P.S. Anschließend waren einige noch in einem Kaffee um die Ecke und dieses Gespräch war spannender und erhellender als die 45 Minuten davor. Aber ich will nicht jammern, immerhin war ich mal bei einer Aufzeichnung dabei – und das war wirklich interessant!

Nix Neues, oder? Karfreitagsbitte die Xte…

Vielleicht ist es ungewollte Marketinghilfe, aber rechtzeitig zum Erscheinen des Buches:

“… damit sie Jesus Christus erkennen”: Die neue Karfreitagsfürbitte für die Juden

( Herausgegeben von Walter Homolka und Erich Zenger
Herder, Freiburg; Auflage: 1 (Mai 2008 )
ISBN-13: 978-3451299643)

welches einige sehr interessante Artikel rund um die große Debatte um die geänderte Karfreitagsfürbitte sammelt, meldet sich der Bischof von Rom mit einer deutlichen Positionierung seiner Haltung zurück und gibt damit dem, diese Woche beginnenden Katholikentag und allen wieder, zaghaft begonnen Dialogbemühungen ein deutlichen Tritt gegen das Schienbein:

Benedikt XVI.: Kirche muss missionarisch sein

Papst Benedikt XVI. hat den Rechtsanspruch der Kirche auf Mission bekräftigt. Der Taufbefehl Jesu an seine Jünger stelle einen „verpflichtenden Auftrag für die ganze Kirche und für jeden einzelnen Christgläubigen“ dar, sagte Benedikt XVI. bei einer Begegnung mit Vertretern päpstlicher Missionswerke am Samstag im Vatikan. Er nannte die Bekehrung zugleich ein „unverzichtbares Recht“. Dieses gründe in der Religionsfreiheit und schließe soziale wie politische Aspekte ein.
Der Auftrag, die Menschheit zu evangelisieren, bleibe „weiterhin dringend und notwendig, sagte der Papst. Die Menschen warteten auf Christus. Es sei die Liebe, die Christen dazu treiben müsse, allen Menschen unbefangen und mutig „die rettende Wahrheit“ zu verkündigen. Jede Ortskirche repräsentiere das auserwählte Volk unter den Heiden, so Benedikt XVI. Den „Keimen der Zersetzung unter den Menschen“, die von der Sünde herrührten, stelle jede lokale Kirche eine Einheit schaffende Kraft entgegen.

(Radio Vatikan 17.05.2008)

In einem Gespräch unter Freunden, brachte es heute Abend eine muslimische Teilnehmerin auf den – nicht ganz unprovokativen – Punkt:

Die Äußerungen des Papstes in seinem stoischen Sendungsbewusstsein erinnert sie des öfteren an Aussagen wie “am deutschen Wesen soll die Welt genesen” – man müssen nur deutsch mit katholisch ersetzen …

Ich möchte den deutschen Papst mit der Zitierung der Dame nicht in die Nähe von Nazis rücken, will aber verdeutlichen dass Juden, und in letzter Zeit wohl auch vermehrt Muslime, unter der Vehements mit der Benedikt wenig Respekt für andere Religionen zeigt, leiden und die Hilflosigkeit, die daraus entsteht, aufzeigen. Es ist ja nett und schön, wenn Katholiken an der Basis und Kurienkardinäle die Arme offen und ausgebreitet zum Dialog hinhalten, aber wenn mehrere Wochen Dialog zwischen den ersten Ereignissen und den letzten Äußerungen des Papstes keine Veränderungen in der Haltung des selbigen bewirkt haben, dann verwundert es mich nicht, dass Kardinal Kasper niemanden findet, der mehr bereit ist, “Bitten an ihn heranzutragen” (und mit Verlaub, allein diese Aussage ist schon ein Hohn für alle, die sich innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche für eine Rettungsaktion des angeschlagenen Dialoges eingesetzt haben):

Kurienkardinal Walter Kasper schließt eine Korrektur an der neu formulierten tridentinischen Karfreitags-Fürbitte offenbar nicht aus. „Es kann schon nochmals daran gearbeitet werden“, sagte Kasper in einem Interview der in Ulm erscheinenden „Südwest-Presse“ (Montag). Eine solche Bitte sei aber „offiziell nicht an uns herangetragen worden“. Deshalb gebe es momentan auch keine entsprechenden Überlegungen. Änderungen habe es aber im Laufe der Geschichte „immer mal wieder“ gegeben. (DomRadio)

Nicht im Buch, aber trotzdem spannend zu Lesen – meine älteren Beiträge zum Thema 🙂

Nachtrag: Kaum hatte ich meinen Artikel fertig, habe ich bei Chajm auf Sprachkasse einen passenden weiteren Atrikel entdeckt, der die Diskussion um eine weitere Dimension erweitert: HIER LESEN

Jerusalem im jüdischen Gebet – eine kleine Annäherung

(c) by Adrian Michael Schellich habe einen vortrag über jerusalem im jüdischen gebtet gehalten. hier ist ein ausschnitt des vortrages, der eine kleine annäherung auf das thema durch meine persönliche brille wiedergibt:

1. Einleitung

Es sind erst zwei Wochen vergangen, dass fast alle Juden auf der Welt den ersten Pessach Seder mit einem recht bekannten Ausspruch, bzw. Lied abgeschlossen haben:
la shanah haba’a b jeruschalaim – zum nächsten Jahr in Jerusalem.
Pessach ist das jüdische Fest, an dem wir Juden uns an den Auszug aus Ägypten erinnern, an die einzigartige Tat G’ttes, der uns, sein Volk, aus der Unterdrückung befreit und in die Freiheit geführt hat.
Wie kommt es, dass in dem Seder, dem großen Gemeinschaftsabend, an dem wir miteinander sitzen, lesen, lernen, diskutieren und essen, und nur noch an einer einzigen, weiteren Stelle Jerusalem erwähnen, wir Jerusalem den visionären Abschluss einräumen.
Es ist richtig, Pessach war eines der Pilgerfeste zur Zeit des Tempels, aber dies spielt in den Erzählungen des Abends eigentlich keine Rolle. Es muss also etwas anderes sein, was Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt, durch die Jahrhunderte und Jahrtausende mit dieser Stadt verbunden hat und Propheten, Dichter, Rabbiner und Gelehrte angeregt hat, die Stadt in den Fokus unserer Liturgie, unserer Gebete, Hoffnungen und Träume zu rücken.

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Es geht um die Identität der Kirche selbst

– weitere jüdische Gedanken zur Karfreitagsfürbitte 

Sowohl auf meinem Blog-Beitrag, in anderen Veröffentlichungen, als auch auf den Beitrag bei Chajm, gab es doch einige Reaktionen, die ich nun gerne etwas ausführlicher kommentieren möchte:

Ein Vorwurf, mit dem ich mich konfrontiert sehe, lautet, dass wir Juden mit unserer Kritik an der neuen Fürbitte, den Katholiken ihren Glauben absprechen würden wollen, dass wir in Ihre Liturgie eingreifen wollen und damit den eingeforderten Respekt selbst nicht aufbringen würden.

Ich denke, dass dies mit nichten so ist. Continue reading

aleinu (k)eine jüdische fürbitte ?

auf unterschiedlichsten foren und in blogs wird derzeit über ein jüdisches gebet diskutiert, welches (angeblich) vergleichbar mit der karfreitagsfürbitte sei. ich sehe es nur bedingt so. es ist ein universalistisches gebet, welches weder zur mission noch zur abwertung “nicht-monotheistischer” religionen aufruft. “götzendiener” sind im judentum nicht der islam, das christentum, oder die bahaii, um dies ganz klar zu machen. modern werden damit stark auch der glaube an geld, macht und andere “weltliche dinge” in verbindung gebracht, die über den glauben an G’tt und moral gestellt werden.

nachfolgend ein kurzer überblick über das gebet:

Aleinu 1 Aleinu 2

Wann:
Aleinu leitet den Schlussteil in allen Gottesdiensten ein, in der Regel nach der Amida (im Shacharit nach dem Tachanun). Im sefardischen Ritus wird es übrigens mit einem erneuten Aufruf eingeleitet. Aleinu ist der klassische Einleitungsteil für Malchujot im Mussaf an Rosh HaShana An Jom Kippur im Musaf vor dem Avoda-Teil um eine Brücke zum Mussaf von RHS zu bilden.

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karfreitag und die fürbitte zur errettung israels: "für die juden"

um es gleich vorweg zu nehmen, nein, ich sehe keinen zufall darin, dass purim und karfreitag in diesem jahr auf den selben tag fallen. es ist eher ein deutliches zeichen. während andere um “die erleuchtung unserer herzen” bitten, und damit im grunde für die aufgabe unserer religion, werden wir mit der feier des purim festes, durchaus mit einer gewissen portion stolz und vor allem fröhlichkeit, daran erinnern, dass es in der geschichte schon ganz andere versuche gab, juden und judentum zu einem teil der selbigen zu machen. mit dem blick auf purim und diesem wissen könnte man als jude also locker über die jüngsten spielchen des papstes zu der karfreitagsliturgie hinwegsehen.

und überhaupt: ob nun tridentinischen ritus, oder nach-konziliarisch oder irgendeine sonstige mischform – mir doch egal. es ist nicht meine religion, es gibt menschen, denen es zuspricht und die in diesem glauben einen weg zu G’tt gefunden haben (ich möchte an dieser stelle nicht diskutieren, ob es sich um den selben G’tt handelt). ich denke, dass ein respektvoller umgang miteinander auch schwierige passagen in der jeweils anderen liturgie aushalten muss. und natürlich ist mir auch klar, dass ein christ letztendlich daran glauben muss, dass sein weg der einzig richtige ist und enstprechend er dies auch ausdrücken können sollte.

nicht zu vergessen: auch in der jüdischen liturgie gibt es passagen, die einen gewissen alleinvertretungsanspruch propagieren (aleijnu), auch wenn man grundsätzlich festhalten muss, dass “erlösung” allen gerechten der welt zusteht und damit das heilsversprechen nicht ein exklusives ist – daher gibt es auch keine mission von nicht-juden im judentum.

aber

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trialog durch klänge

(c) Adrian M. Schellvergangene woche war in berlin ein neues projekt zu hören: klangtrialog.

die musiker Mimi Sheffer (Gesang), Nasser Fakhri (Gesang), Christian Hagitte (Orgel), Salim Saroueh (Violine) und für Percussion Süleyman Celik verbanden liturgische musik aus dem islam, dem christentum und dem judentum zu einem, gemeinsamen konzert. gerstern abend war ich in der kaiser wilhelm gedächtniskriche und schaute mir dieses experiment an.

grundsätzlich muss ich sagen, dass es gelungen ist und musik wirklich ein träger für den gemeinsamen dialog / trialog sein kann. sehr gelungen waren der auftakt und das ende des konzertes. in der mitte gab es für meinen hörgenuss einige schwächen. zum auftakt “ruf zum gottesdienst” läuteten die glocken der kirche, der ruf des muezzin wurde von nasser fakhir gesungen und mimi sheffer rundete den beginn mit dem jüdischen gegenstück, dem “barechu” und variationen des “shmah israel” ab.

chayim beschrieb den abend mit “gewaltig”. eine sehr treffende beschreibung. gewaltig, da kraftvoll und erfolgreich bei der erreichung des selbstgesteckten zieles, aber auch das eine oder andere mal schwer auszuhalten. nicht alle lieder der zusammenstellung passten zueinander und hamonisierten. man musste das eine oder andere, insbesondere die orgel-improvisationen aushalten. vergleichbar einem echten trialog, in dem man die beiträge des gegenüber manchmal einfach (c) adrian m. schellso stehen und wirken lassen muss.

schade fand ich, dass es keinen christlichen sänger im team gab; dass mimi sheffer hier “einspringen” konnte war zwar schön, aber verwischte ein wenig die positionen. spätestens beim birkat cohanim, dem priestersegen wäre aus dem jüdisch-muslimischen dialog ein trialog in gesangsform geworden, wenn hier ein dritter, christlicher sänger greifbar gewesen wäre, denn dieser segen – so habe ich gestern gelernt – hat in allen drei religionen eine liturgische bedeutung.

sehr versöhnlich war am ende ein arabisches gedichte, bei dem alle künstler noch einmal musikalisch in erscheinung treten konnten. wahrscheinlich gehen die 5 künstler mit dem programm noch ein wenig auf tour. wenn der klangtrialog in eure stadt kommt, geht hin …

infos unter: http://www.spielkunst-berlin.de/klangtrialog.htm

(C) Adrian M. Schell

S.K.H. Prinz Hassan bin Talal von Jordanien الحسن بن طلال

(c) by Adrian Michael Schell

 so lautet der korrekte name des diesjährigen preisträgers des abraham geiger preises, der ihm am 4.märz. (also vor zwei tagen) abends in der bayerischen vertretung in berlin überreicht wurde. für das geiger kolleg war es ein riesen event, zu dem sich über 530 personen angemeldet hatten, plus pressevertreter. nach der ordination der ersten rabbinerstudenten im september 2006 wahrscheinlich das zweitgrößte in der geschichte des kollegs.

vor vertretern aus politik (die laudatio hielt wolfgang schäuble, weitere gäste waren u.a. bundestagspräsidentin a.d. rita süssmuth, einige bundestagsabgeordnete – ich habe volker beck gesehen) der kirchen, u.a. bischof huber, vielen vertretern der muslime und jüdischer gruppierungen und gemeinden (nathan kalmanowicz sprach für den zentralrat der juden) wurde prinz hassan für sein engagement für den jüdisch-muslimischen dialog gewürdigt. in der begründung der jury heißt es :

„Die Ehrung von Prinz Hassan als langjährigem Präsidenten der Weltkonferenz der Religionen für den Frieden und des Club of Rome würdigt seinen Mut, mit dem er für Pluralismus, Dialog der Kulturen und Verständigung zwischen Juden, Muslimen und Christen eintritt. Der Ausgleich zwischen islamischer und westlicher Welt ist ein bedeutendes Anliegen des Prinzen in einer Zeit des Auseinanderdriftens. Wo andere die Differenzen betonen, hebt Prinz Hassan die kulturellen und religiösen Gemeinsamkeiten hervor.“

am beeindruckensten für ich war an diesem abend tatsächlich der prinz selbst, der in einer sehr intelligenten rede die aufmerksamkeit genau auf auf die stellen lenkte, die für ein gemeinsames “tikkun olam” die ausgangsbasis und das ziel darstellen.

[um mehr bilder zu sehen, bitte eines der bilder anklicken]
nachfolgend einige auszüge seiner rede (die komplette rede kann hier in deutscher fassung nachgelesen werden, oder in englischer fassung hier):
[die ganze rede habe ich auch mitgeschnitten und auf youtube gestellt. die filme sind am ende dieses beitrages]
 

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synkretismus

endlich. eine weitere, kleine hausarbeit habe ich heute morgen abgeschlossen. thema: der islam in bengalen. im letzten semester hatte ich einen interessanten kurs an der uni zum thema synkretismus. gibt es vermischungen von religionen, was sind ihre wurzeln, ihre motivationen und was sind die ausprägungen? wann kann man überhaupt von synkretismus sprechen? synkretismus ist eigentlich ein aus dem griechischen altertum entlehntes wort. es beschreibt in seiner urbedeutung das phänomen, dass auf kreta sich die einzelnen dorfgemeinschaften zwar feindlich gegenüber standen, aber im fall einer äußeren bedrohung zusammenschlossen. im übertragenen sinne kann man also sagen, dass synkretismus ein zusammengehen von dingen beschreibt, die eigentlich nicht zusammengehören.

in der religionswissenschaft setzte sich der begriff dann als beschreibung von religionsverbindungen, mischungen und neugründungen durch. aber richtig definiert wurde der begriff nie so richtig. so ist es z.b. schwierig zu sagen, ob z.B. das christentum ein fall von synkretismus ist. das würde bedeuten, dass es einen zusammenschluss aus judentum mit der hellenistischen G’ttesvorstellung gab  (schwierig und man gerät leicht auf glatteis). ich würde eher von einer entwicklung einer strömung im judentum sprechen, die stark durch die hellenistische philosophie beeinflusst wurde.

beim islam sehe ich schon eher eine vermischung von religionen vorliegen. eindeutig wurden elemente der vorherrschenden religionen verwendet und zu etwas eigenständigem geformt. deutliches merkmal hierfür ist die beibehaltung verschiedener heilsfiguren aus dem gebenden religionen, die beibehaltung religiöser riten. typisches anzeichen ist auch, dass elemente der alten religion neu definiert werden, um den gläubigen den übergang zu erleichtern. beispiel hierfür ist das heiligtum in mekka, oder jerusalem als heilige stadt.

meine kleine arbeit [nachfolgend ein kleiner auszug] um den islam in begalen stellt nun einen fall vor, der eher kein beispiel von synkretismus ist. um sich stärker in indien ausbreiten zu können, übernamen islamische dichter die volksdichtung der hindus und wandelten diese in islamische literatur um, d.h. im stil der vorislamisch erzähltradition entstandenen islamische legendenerzählungen, gedichte usw.. an die stelle hinduistischer g’ttheiten und helden treten islamische helden und heilsfiguren.

Konkret bedeutet dies aber auch, dass die muslimische Dichtung die vorherrschende Traditionsliteratur ersetzen sollte und auch tat. Bemerkenswert ist, dass islamische Heilsgestalten in den Kontext lokaler Traditionen eingebunden werden und diese dann als Personen der eigenen bengalischen Geschichte / Mystik identifiziert werden. Asim Roy* nennt hier einige Beispiele für islamische Heilsfiguren, die in die neue Legendenbildung mit einbezogen wurden, z.B.:

A semi-historical person named Hanifā, believed to be a son of Ali, the Prophet’s son-in-law, became the center of many heroic and supernatural exploits, which people wished to hear. In close resemblance to the legend of the Bengal vaiṣnav leader Chaitanya (A.D. 1486-1534), an utterly fictitious story relating to the kidnapping and eventual rescue of Hasan and Husain, grandsons of the Prophet, found its way into the Muslim Bengali literary tradition.

Abu Jahl ist ein weiteres Beispiel für die Übernahme einer islamischen Figur, diesmal als Substitut für eine negative Gestalt aus der Vishnu-Tradition: Er tritt als Führer der Hindus auf, der in einer Geburtslegende um Mohammed versucht, diesen bereits vor, bzw. nach der Geburt zu töten. Die ganze Geburtslegende spiegelt hierbei bengalisches Brauchtum wieder und ist in die traditionelle Erzählkultur eingebunden. Durch diese Technik wurden islamische Figuren der lokalen Bevölkerung bekannt gemacht.

[…] The simplest device for making the figures of Muslim tradition known to the local people was to introduce them along with their Hindu parallels. The motive underlying this attempt was often to vindicate the Muslim hero, drawn into a comparative frame along with his Hindu counterpart. But the dominant object seemed to make both appear natural in the complex of the Bengali religious-cultural tradition. The great war between Ali and Jaykum, the infidel king of Iraq, was compared to those of Ram and the pāndavs of the Indian epics, […]

In einem weiteren Beispiel wird Ali, dem Neffe des Propheten, ein hinduistischer König namens Jaykum gegenübergestellt, vergleichbar den Schilderungen der großen indischen Epen. Ali ersetzt hier Ram (eine Inkarnation des Gottes Visnu), der in einem großen Kampf Ravna besiegt, bzw. die guten Krieger, die in den klassischen hinduistischen Erzähltexten geschilderten Kämpfen gegen „Heiden“ siegreich sind. Ebenso werden böse islamische Gestalten wie z.B. Iblis mit bösen Gestalten des Hinduismus in Verbindung gebracht:
Iblis of Muslim tradition found, though somewhat inappropriately, a parallel in Nārad of the Hindus.
Das hinduistische Konzept der Avatare, d.h. der Inkarnation von Gottheiten und Menschen hat einen einen Einfluss auf die entstandenen Erzählungen. Es erfolgt eine gewisse Gleichsetzung zwischen den „Vorgängergottheiten“ und islamischen Heilsfiguren. Um das theologische Dilemma, dass diese Heilsfiguren keine Gottheiten selbst sein können, übernimmt die islamisch-bengalische Literatur „nur“ die Aufgaben, die die Avatare in der vorislamischen Tradition hatten, nämlich eine aus den Fugen geratene Welt wieder in Ordnung zu bringen.

[…] The most significant part of the attempt to reduce the polarity between the endogenous and exogenous traditions relates to the anxiety of the mediators to bring the Prophet himself in line with the comparable symbols of the Hindu tradition. […] it was a mere logical extension of this position to regard and present Muhammad as „the incarnation of God Himself’ (Muhammad rup dhari nij avatār) and as „a manifestation of his own self” (nij amśa prachārilā). […] Such innovations could not but pose serious theological problems, which the mediators sought to resolve by reconstructing the Hindu myths and even creating new ones. The most obvious question concerned the avatāric incarnation of God, as noted above. It is interesting that while an attempt was made, on one hand, to reduce Muhammad to God’s own self, the Hindu avatār Krisna, on the other, was boldly de¬picted as God’s messenger; consequently, the entire attempt may be seen as one of achieving their object by interchanging the contents of the concepts of nabi and avatār.

* Textgrundlage :
Unter Auslassung der Fußnoten und mit Hinzufügung eigener Anmerkungen entnommen aus Asim Roy, The Islamic Syncretistic Tradition in Bengal, Princeton/New Jersey 1983, 87-110 (=Part II.A. The Syncretistic Great Tradition, Chap. 3. History-Myth.)

wie gesagt, das beispiel zeigt in meinen augen keinen gewachsenen oder gewollten synkretismus, sondern eine literarische umsetzung einer mission. bessere beispiele für synkretismus im bereich von religionen sind z.B. der manichäismus oder voodo (letzterer ist ein gutes beispiel für aus missonierungen entstandene religionsformen).

begegnungen

juval hat in seinem letzten blog-eintrag “die lage” kurz erwähnt, dass es wieder ein gemeinsames seminar der geiger-studenten mit studenten der uni bamberg und (neu dabei) regensburg gab, zu dem wir nach bamberg gefahren sind. es war nicht das erste mal, dass es eine jüdisch-christliche-begegnung im rahmen eines uni-seminars zum thema “homiletik” gab. für mich war es das dritte mal und obwohl schon ein stück routine für mich dazugehört, war es doch wieder ein interessantes wochenende. um es vorweg zu nehmen, im rahmen des wochenendprogramms haben wir auch an einer veranstaltung der jüdischen gemeinde in bamberg teilgenommen und frau knobloch getroffen. diese begegnung war (leider) kurz und (glücklicherweise) schmerzlos, die veranstaltung in der gemeinde aber außerordentlich gehaltvoll und wichtig.

 
[zweierlei begegnungen: mit charlotte knobloch und heiner olmer in der bamberger gemeinde und mit studenten aus regensburg in der bamberger uni]

inhalt des seminars war das “predigen”. und zwar ganz praktisch betrachtet. bisher wurden immer zwei drashot von jüdischer seite vorbereitet und während der shabbat G’ttesdienste in der synagoge gehalten. diese wurden dann anschließend innerhalb des studentenkreises (also nicht mehr in der gemeinde) analysiert und diskutiert. ganz nebenbei wird das zweite standbein des seminars, die “begegnung” zwischen judentum und christentum praktiziert. es ist spannend zu sehen, wie jüdische textrezeption durch christen wahrgenommen wird und wie sich katholiken ihren biblischen texten nähern. welche erwartungen eine jüdischen gemeinde an eine drasha hat und wie ein katholischer priester den vorstellungen seiner gemeinde in hinsicht auf eine predigt nachkommen kann/könnte. welche zwänge gibt es, welche parameter (leseordnungen z.B.). spannenster teil bleibt für mich aber weiterhin, der umgang  mit dem jeweils “anderen” text. was machen angehende priester, theologie studenten mit unserem wochenabschnitt und wie wirkt eine perikope aus der katholischen leseordnung auf uns jüdische teilnehmerInnen.

 
[schwieriger dialog – moderne und alte vorstellungen vom judentum im zusammenhang mit christlichem glauben (mitte: synagoga mit verbundenen augen und gebrochenem stab und rückrat)]

es ist zum beispiel erschreckend wenig, was in kirchen sonntag für sonntag aus der bibel gelesen wird. die katholische leseordnung sieht in einem dreijährigen lesezyklus zwar die komplette lesung der synoptischen evangelien (matthäus, markus, lukas) vor, die zwischen ostern und pfingsten durch das vierte evangelium (johannes) unterbrochen wird, aber dem evangelium wird nur ein miniabschnitt aus dem “alten testament” zugeordnet – entweder recht “plump” nach stichwort, oder irritierend nach dem prinzip “ankündigung im AT -verwirklichung im NT”. was nicht nach einem dieser beiden zuordnungsprinzipien in die leseordnung gelangt ist, ist mehr oder weniger kein bestandteil der kirchlichen lesung. wer nicht zufälligerweise einen engagierten priester o.ä. hat, der z.B. einen “bibelkreis” ins leben ruft, kommt sein ganzes leben ohne einen blick in die anderen texte des tana”chs durchs leben.

ein weiteres thema war, den aktuellen innerdialogischen ereignissen entsprechend, die beschäftigung mit der karfreitagsliturgie in der katholischen kirche, schwerpunkt die fürbitte “für die juden”. vorweg, es war gut, sich mit jungen katholiken darüber zu unterhalten und die texte zu sehen, aber es ist tatsächlich auch schmerzlich zu sehen, wie ratzinger in rom gefährlichen schmarrn produziert, der unnötig und kontraproduktiv ist und im grunde aufrechten, engagierten, aufgeklärten katholiken direkt vor die füße gekotzt (ich denke, dieses bild ist das einzig treffende) wird. [eine ausführliche stellungnahme zu diesem thema folgt als eigener eintrag]


[jüdisches bamberg – ort der zerstörrten synagoge]

zurück zum erfreulichen teil des seminars: ein besondere freude für mich ist es, dass wir gäste der jüdischen gemeinde in bamberg waren und wir geiger studenten “das kommando” in den shabbat G’ttesdiensten übernehmen durften. wer bereits mal in bamberg in der gemeinde war, weiss, dass es sich hierbei um eine besonders angenehme angelegenheit handelt. die gemeinde ist offen in jeder hinsicht, bereit, studenten die möglichkeit zu geben, neues auszuprobieren und vorzustellen und konstruktiv-kritisch zu begleiten. zudem ist man in einer der schönsten, architektonisch gelungensten synagogen, die in den vergangenen jahren errichtet wurde. ein beweis dafür, das eine moderne bauweise nicht gleichbedeutent mit “bauklötzchen übereinander stapeln” ist.

dies sind einige, wenige eindrücke von 4 tagen seminar. ich bin mir fast sicher, dass von juval auch noch eine rückschau folgt [inzwischen hier veröffentlicht] und somit euer bild abrunden wird.

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